Todesschlaf - Thriller
abspielte.
Was auch der Grund für einen weiteren Unterschied im Vergleich zur letzten Beerdigung war. In der heutigen Prozession chauffierte Timmie mit ihrem verbeulten Peugeot nämlich Cindy, Ellen und Mattie zur Eternal-Rest-Kapelle.
»Meinst du nicht, wir sollten dieses Ding da gleich neben Victor in der Erde verscharren?«, meinte Cindy von der Rückbank her, als der Wagen knirschend in den nächsten Gang schaltete.
»Dann will ich dir mal verraten, dass der gute Cyrano
hier Meghan und mich in vier Tagen von L.A. bis ganz nach Baltimore getragen hat, damit wir in Camden Yards mit eigenen Augen sehen konnten, wie Cal Ripkins sein zweitausendeinhunderteinunddreißigstes Spiel in Serie gemacht und damit Lou Gehrigs Rekord gebrochen hat«, sagte Timmie stolz und tätschelte das rissige, ausgebleichte Armaturenbrett, auf dem neben einer Statue der Jungfrau Maria auch ein heiliger Christopher, ein heiliger Patrick sowie ein heiliger Judas stand, der als Schutzpatron für unmögliche Situationen Timmies wichtigster Talisman gegen den völligen Zusammenbruch ihres Wagens war.
»Cyrano?«, sagte Ellen.
Timmie grinste. »Hässlich, aber treu ergeben. Ein heldenhaftes Auto mit vielen guten, aber unauffälligen Seiten.«
»Du bist tatsächlich quer durch das Land gefahren, nur um einem dürren Weißen beim Baseballspielen zuzusehen?«, erkundigte sich Mattie.
Timmie lächelte angesichts der Erinnerung an Hot Dogs und Feuerwerk und einen einsamen Mann, der eine Ehrenrunde durch das Stadion drehte, um sich zu bedanken. Das hätte ihr damals beinahe den Glauben an das Spiel wiedergegeben. An die Erinnerungen, die sie seit ihrer Kindheit wie Schätze gesammelt hatte und in denen herrliche Sommertage vorkamen - und ihr Vater, wie er sich dicht über sie beugte, sodass sie den Geruch nach Old Spice und Lucky Strike wahrnahm, und ihr beibrachte, wie man die Punkte zählte.
»Manche Dinge sind eben ein kleines bisschen mehr Aufwand wert«, erwiderte sie.
»Aber nicht Baseball«, erklärte Mattie. »Vielleicht solltest du lieber dem Luftfilter von diesem Ding hier ein wenig Zeit widmen.«
»Ich hatte zu tun«, sagte Timmie.
»Ich bin auch einmal über Land gefahren«, meldete sich Cindy zu Wort. »Ich wollte surfen gehen, bin einfach losgefahren
und habe in San Diego ein tolles Wochenende mit einem bisexuellen Motorradfahrer erlebt. Er hieß Jose.«
»Ist dein Vater mittlerweile in guten Händen?«, wandte sich Ellen an Timmie.
Timmie nickte nur und konzentrierte sich auf den vor ihr fahrenden Streifenwagen. Zu Victors Abschied war eine stattliche Anzahl davon zusammengekommen. Polizisten aus rund zwanzig Gemeinden sowie die Highway Patrol bildeten eine lange Prozession, die sich über die vielfach ausgebesserten Friedhofspfade schlängelte, und das Letzte, was Timmie jetzt gebrauchen konnte, war, die Nase des guten Cyrano im Heck eines Polizeiautos zu versenken.
»Alex Raymond hat ihn tatsächlich nach Restcrest geholt?« Cindy beugte sich zwischen den beiden Vordersitzen nach vorne.
»Heute Morgen.«
Timmie hatte ihren Vater gedrängt, sich anzuziehen. Sie hatte ihn angelogen was das Ziel ihres Ausflugs anging. Sie hatte ihn am Arm vom Auto weggeführt und hatte ihn zurückgelassen, als er sie flehend gebeten hatte ihm zu sagen, weshalb sie ihn irgendwelchen Fremden auslieferte.
Er würde sich hier sehr wohl fühlen, hatte ihr das Personal immer wieder versichert. Er würde sich beschäftigen und Anregungen bekommen. Dabei hatten sie ihr unentwegt die Hand getätschelt, genau so, wie sie die Hand ihres Vaters getätschelt und ihm gleichzeitig versprochen hatte, er könne jederzeit wieder nach Hause kommen, wenn er nur jetzt für den Augenblick in Restcrest bliebe. Sie war gegangen, und er hatte geschluchzt. Und obwohl sie es schon einmal getan hatte und obwohl sie wusste, dass es dieses Mal wirklich das Beste war, hatte auch Timmie den ganzen Nachhauseweg lang geweint.
Aber auch darüber wollte sie sich jetzt im Moment keine Gedanken machen.
»Ich glaube, er mag dich«, bemerkte Ellen.
Timmie nahm den Blick für einen Sekundenbruchteil von dem Trauerzug, um Ellens unbeteiligtes Gesicht im Spiegel zu sehen. »Wer?«
»Alex Raymond.Wieso sollte er sonst deinem Vater solch einen Gefallen tun?«
Timmies Lachen klang hart. »Weil er ein netter Kerl ist?«
»Natürlich ist er ein netter Kerl. Aber für jedes einzelne Bett in Restcrest gibt es eine Warteliste.«
»Aber was hat sie, was ich nicht habe?«, meldete
Weitere Kostenlose Bücher