Todesschlaf - Thriller
sie Micklind jetzt eigentlich eine Frage stellen müsste.Ach, verdammt, dachte sie. In ihrer Ausbildung hatte sie gelernt, Opfer, Überlebende, Täter zu befragen, aber nicht, Polizisten zur Rede zu stellen. Schon gar nicht Polizisten, die irgendwie in etwas verwickelt sein könnten. Was, zum Teufel, sollte sie jetzt machen?
»Was glauben Sie, warum hat Victor auf eigene Faust diese Schießerei untersucht?«, wollte sie wissen.
Micklind erstarrte zur Salzsäule. Erster Versuch, falsche Frage. Ach, zur Hölle. Sie konnte genauso gut aufs Ganze gehen.
»Befassen Sie sich eigentlich mit der Untersuchung der Schießerei?«
Wieder falsch. Jetzt starrte er sie feindselig an.
»Befasst sich überhaupt irgendjemand damit?«
»Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen«, lautete sein pflichtbewusstes Mantra.
Timmie lachte. »Bitte beleidigen Sie nicht meine Intelligenz, Detective. Verraten Sie mir bloß, wieso sich kein Mensch mehr dafür interessiert. Gehen Sie vielleicht davon aus, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt hat und wollen Sie die betreffende Person nicht in Schwierigkeiten bringen, nur weil sie unter Stress eine Riesendummheit begangen hat, oder ist es etwas anderes?«
Jetzt seufzte er. »Es ist gar nichts, Ms. Leary. Mag sein, dass das für eine überqualifizierte Bettpfannen-Leererin
aus L.A. schwer zu verstehen ist, aber wir können uns hier ganz gut selbst um unsere Angelegenheiten kümmern. Und genau das machen wir auch.«
»Wenn das der Fall wäre«, fauchte sie mit hochroten Wangen, »glauben Sie, dass Victor Adkins dann aktiv geworden wäre?«
Wieder einmal ein Leichenschmaus im Rebel Yell . Wieder einmal mehr als eine Runde Drinks für alle, animiert durch Cindys neuerlichen Besuch einer Polizistenbeerdigung sowie Ellens neuerlichen Besuch auf dem Eternal-Rest-Friedhof. Auch dieses Mal ließ sich Alex auf ein schnelles Glas sehen und fragte in der Zeit seiner Anwesenheit Timmie, was sie von Restcrest hielt. Rechtzeitig zum ersten Trinkspruch ließ sich auch Barb sehen. Ruhig, beherrscht und hübsch sah sie aus. Sie hatte ihren Zeugenstaat angelegt, den scharfen roten Anzug, in dem sie - wie sie immer sagte - wie ein Brauereilaster aussah.Timmie trank und lachte und rezitierte die besten Zeilen aus den Gedichten ihres Vaters und wünschte sich nichts sehnlicher als mit Bleistift, Lineal und Papier zu Hause zu sitzen und das bisschen, was sie an Informationen bekommen hatte, aufzeichnen zu können.
Micklind war plötzlich verschlossen gewesen wie ein schwangeres Teenagermädchen. Und bis Timmie schließlich auf der Hügelspitze angekommen war, um sich den Rest des Gottesdienstes anzuhören, war die versammelte Gemeinde schon wieder auf dem Rückweg gewesen.
Sie fragte Alex, ob er etwas über den Stand der Ermittlungen zu den Schüssen gehört hatte, nur um nebulöse Allgemeinplätze zu hören zu bekommen. Sie fragte die ganze Versammlung, ob sie etwas von Van Adder gehört hatten, nur um ausgebuht zu werden. Sie nippte an ihrem Mineralwasser und sah zu, wie die anderen sich prächtig amüsierten, und sagte sich, dass es letztendlich ein Fehler gewesen
war, auf Murphy zu hören. Sonst wäre sie jetzt vielleicht in der Lage gewesen, ihren ersten Nachmittag, an dem sie keine anderen Sorgen hatte als die, was sie Meghan wohl zum Abendessen machen sollte, zu genießen. So aber verbrachte sie den Nachmittag damit, alle anderen zu beobachten und nach niederen Beweggründen zu suchen und kam schließlich, nachdem sie nirgendwo fündig geworden war, zu dem Schluss, dass sie die schlechteste Schnüfflerin seit Inspektor Clouseau war.
»Ich bin aber nicht mitgekommen, damit wir noch eine Runde Wer ist der Mörder? spielen können«, nörgelte Mattie, als die beiden eine Stunde später Cyrano in der frei stehenden Garage neben Timmies Haus abstellten.
»Sie glauben, dass Barb Victor umgebracht hat«, sagte Timmie und wandte sich, den klimpernden Schlüsselbund in der Hand, zum Bürgersteig. »Findest du nicht, dass das Grund genug wäre, ein paar Fragen zu stellen?«
Es ging langsam auf drei Uhr zu. Meghan würde bald von der Schule nach Hause kommen, und der Verkehr in Timmies Straße hatte spürbar zugenommen. Die Sonne zog gegen eine dünne Wolkenschicht den Kürzeren, und der Wind schien einem um die Knöchel zu peitschen. Timmie zitterte in der noch ungewohnten Kälte.
»Und wieso behelligst du mich damit?«, wollte Mattie ungnädig wissen.
»Weil ich dir
Weitere Kostenlose Bücher