Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
Children in den USA zufolge geht man von ungefähr sieben bis acht Millionen Kindern aus, die pro Jahr weltweit verschwinden.«
»Wow.«
»Darunter fallen auch Kinder, die verschwinden und nach ein paar Stunden in guter Verfassung wieder auftauchen. Dann sind da all die Flüchtlingskinder ohne Begleitung, die spurlos in den EU -Ländern verschwinden. Beim Großteil der Fälle handelt es sich jedoch um Kinder, die von zu Hause weglaufen. Nur wenige Prozent der Kinder aus den EU -Ländern werden von Fremden entführt.«
»Ich bin der Meinung, dass die Medien einen wichtigen Beitrag für die Ermittlungen leisten, wenn in Dänemark ein Kind verschwindet«, sagte Rebekka.
Ryan nickte. »Das stimmt, ein verschwundenes Kind und vielmehr noch ein ermordetes Kind ist für die Medien der westlichen Länder eine gute Story, genau wie in den USA . Allerdings könnte man den gesamten Einsatz der Medien noch effektiver gestalten, wie es bei uns der Fall ist, und somit noch mehr verschwundene Kinder finden – rechtzeitig, wohlgemerkt. Wir wissen, dass fünfundsiebzig Prozent der Kinder, die von Fremden entführt und ermordet werden, innerhalb der ersten drei Stunden nach ihrer Entführung getötet werden.«
Rebekka nickte ernst. »Darüber bin ich mir sehr wohl im Klaren, und deshalb sind wir auch so frustriert, dass wir im Fall Sofie noch nicht weitergekommen sind. Wie lange wirst du in Dänemark bleiben?«
Ryan griff nach seinem Weinglas, um mit ihr anzustoßen. »Nur ein paar Tage, aber ich komme bald wieder. Dein Chef, Brodersen, war so freundlich, Ted und mir im Präsidium ein Büro zur Verfügung zu stellen, das wir nutzen können, solange wir hier sind. Ansonsten wohnen wir im Hotel Strand in der Havnegade. Kopenhagen soll unsere Basis sein. Das habe ich durchgesetzt – deinetwegen.«
Ryan lächelte sie an, und Rebekka musste das warme Lächeln, das die Augen strahlen ließ, einfach erwidern. Sie erinnerte sich an Ted Palmer als einen ehrgeizigen und begabten Ermittler, jedoch ohne die Empathie, die sowohl sie als auch Ryan besaßen. Ryan spielte an seiner Serviette herum und sah sie an.
»In ein paar Tagen geht’s nach Deutschland, dann nach Frankreich, Portugal und Spanien – wir werden also viel unterwegs sein, aber es wird sicher interessant. Als Ted Palmer und ich uns mit deinem Chef gegtroffen haben, hat er uns kurz von dem verschwundenen Mädchen erzählt. Er war sehr interessiert an unserer Sicht der Ermittlung. Für uns könnte das Timing nicht besser sein. Leider, muss man sagen.«
Rebekka nickte und legte ihm kurz den Fall Sofie Kyhn Larsen dar.
»Natürlich muss zunächst die Familie im Fokus des Interesses stehen. Eine depressive Mutter, ein versoffener biologischer Vater, ein aggressiver Stiefvater, ein drogensüchtiger Onkel und vielleicht ein eifersüchtiger großer Bruder … Morde durch Fremde, die nicht zur Familie gehören, sind unglaublich selten, vor allem hier in Skandinavien«, meinte Ryan.
Rebekka nickte eifrig. »Meine Chefs, besonders Gundersen, konzentrieren sich vor allem auf den biologischen Vater Allan Larsen, der im Übrigen nicht aufzutreiben ist, obwohl wir mit mehreren Streifenwagen nach ihm gesucht haben.«
»Es erscheint ja auch verdächtig, dass der Vater nahezu gleichzeitig wie die Tochter verschwunden ist.«
»So ist es, und ich will auch gar nicht ausschließen, dass er etwas damit zu tun haben könnte, aber er ist offenbar häufig mehrere Tage hintereinander auf Sauftour und nicht auffindbar. Ich habe eher das Gefühl, dass der Stiefvater, Steffen Olsen, irgendetwas auf dem Kerbholz hat.«
Sie erzählte ihm von dem gebrochenen Arm, dem Pullover, den Steffen im Gebüsch des Naturspielplatzes gefunden hatte, und von den vielen Geldscheinen, die sie unter Sofies Matratze entdeckt hatten. Ryan hörte aufmerksam zu und lächelte sie hin und wieder aufmunternd an, während sie sprach.
»Lass uns die Aussagen Punkt für Punkt durchgehen«, sagte er nach einem kurzen Schweigen. »Ich denke aber, dass wir uns noch ein Glas bestellen sollten. Was meinst du?«
Sie nahm dankend an, spürte, wie sie sich entspannte, und freute sich über Ryans aufrichtiges Interesse an Sofie.
—
Es roch noch immer schwach nach Michael, als Rebekka gegen Mitternacht in die Wohnung zurückkam, und sie spürte ein sehnsüchtiges Ziehen im Bauch. Sie wünschte sich plötzlich, dass er in ihrem Bett läge und auf sie wartete, und sie stellte sich vor, wie seine großen, trockenen Hände
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