Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
lag, und das Bett, das mitten im Zimmer stand und in dem die Mutter halb versteckt unter einer dicken Decke lag.
»Mama.« Søren schob den Teller auf den Nachttisch. Ein Wasserglas fiel zu Boden und zerdepperte laut. Die Mutter stöhnte leise, und er spürte, wie die Erleichterung sich in seinem Körper ausbreitete. Sie lebte. Er konnte ihre Konturen unter dem schmutzigen Bettbezug erahnen, das schwarze Haarbüschel, grau durchzogen, glänzend vor Fett. Es war lange her, dass er mit ihr im Bad gewesen war, es war so beschwerlich, obwohl sie so dünn geworden war. Ihm tat der Rücken weh, wenn er sie stützte, doch jetzt gelobte er sich, sie bald zu baden, vielleicht schon morgen. Bis dahin würde er das Becken unter dem Bett leeren und etwas lüften, so musste es gehen.
»Hast du die Zeitung und die Zigaretten?«, quäkte sie. Er nickte und legte ihr die Zeitung und eine Packung Prince auf die Decke. Ihre schmale Hand, die durch die gewundenen Adern ganz blau war, griff danach, hielt jedoch in der Luft inne.
»Søren.« Die Mutter klang anders als sonst, schärfer, wie er es aus der Kindheit und der Zeit vor dem unerwarteten Tod des Vaters vor fünfzehn Jahren in Erinnerung hatte.
»Ja, Mama.« Er trat näher ans Kopfende des Betts heran, atmete durch den Mund. Sie streckte die Hand nach ihm aus, suchend wie eine Blinde, und er nahm ihre Hände, schluckte sein Unbehagen hinunter.
»Søren«, wiederholte die Mutter, »diese Sofie, die verschwunden ist – die war doch mal hier, nicht wahr?«
Søren erstarrte. Woher wusste sie das? Er war immer so vorsichtig mit den Mädchen, bat sie, leise zu sein. Der Griff der Mutter wurde fester, und die Panik flatterte in seinem Bauch. Einen Moment herrschte eine erdrückende Stille im Schlafzimmer, bis es aus seiner Mutter herausbrach: »Du hast nichts damit zu tun.«
Das war eine Feststellung, keine Frage, und er schüttelte schnell den Kopf. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, bevor sie ihm stöhnend den Rücken zukehrte. Er blieb stehen, wiegte sich unentschlossen hin und her, ohne zu wissen, was er mit sich anfangen sollte. Dann verließ er den Raum, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und ging schnell in sein eigenes Zimmer.
—
»Seht mal, wen ich hier mitbringe.«
Brodersen kam mit Ryan Sullivan und einem etwas jüngeren schwarzhaarigen Mann ins Büro, den Rebekka als Ted Palmer wiedererkannte.
»Ryan! Ted Palmer!« Rebekka sprang von ihrem Platz auf und ging ihnen entgegen.
»Hallo, Rebekka.« Ryan lächelte, nahm ihre Hände in seine und drückte sie. Ted Palmer begrüßte sie ein wenig zurückhaltender.
»Arbeitet ihr heute hier?«
»Richtig«, meinte Ryan und fuhr lachend fort: »Wir sind fast Nachbarn, das Büro, das man uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, liegt nur ein paar Türen weiter.«
Brodersen nickte bestätigend und lächelte, was bei ihm nur äußerst selten vorkam.
»Es ist wunderbar, euch in der Nähe zu haben«, sagte Rebekka und meinte es genauso.
Einige Minuten frischten sie alte Erinnerungen von ihrem Aufenthalt beim FBI auf. Dann winkte Rebekka Reza heran.
»Komm her, Reza, und begrüß meine alten Freunde vom FBI , Ryan Sullivan und Ted Palmer.«
»Wir haben uns gestern schon kurz getroffen«, sagte Ryan entgegenkommend. Reza nickte, stand auf und gab den beiden Männern die Hand.
»Stimmt«, antwortete er, und die Stimmung im Raum veränderte sich plötzlich, wurde gedrückter. Ted Palmer warf einen Blick auf seine Rolex und machte Ryan ein Zeichen. Der nickte und drückte Rebekkas Hand.
»Die Arbeit ruft, Rebekka, aber wir sehen uns bestimmt noch, bevor wir fahren.«
»Das werden wir«, antwortete Rebekka.
Sie drehte sich zu Reza um, als die drei Männer das Zimmer verlassen hatten. »Wo hast du Ryan und Ted getroffen?«
»Auf der Besprechung gestern. Brodersen hatte sie gebeten, ihren Senf dazuzugeben. Das konnten sie aus guten Gründen jedoch nicht, da sie die Details nicht kannten, aber sie hatten ein paar Ideen. Nicht, dass etwas Neues dabei gewesen wäre.«
»Allein aus deiner Wortwahl schließe ich, dass du sie nicht magst?«
Reza sah sie an. »Da hast du recht. Ich finde sie ziemlich arrogant. Und rassistisch. Vor allem Ryan Sullivan.« Reza verschränkte die Arme.
Rebekka starrte ihn sprachlos an. »Rassistisch? Ryan? Das kann ich mir nicht vorstellen. Oder um es anders auszudrücken, ich habe nie mitbekommen, dass er sich anders verhält, wenn er …«, sie suchte nach einem politisch
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