Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
einer Diskothek gewagt hatte, aber jetzt hätten sie ihn sehen sollen. Er drehte sich um sich selbst und musste sich leicht schwindelig am Türrahmen festhalten, während er die Kette aufriss und die Tür öffnete. Vor ihm stand Steffen, aschfahl im Gesicht.
»Sie ist tot. Fie ist tot.«
Die Zeit blieb augenblicklich stehen. Bo starrte ihn an, wie paralysiert. Steffen trat ein, schloss die Tür hinter sich und wiederholte: »Verstehst du, was ich gesagt habe? Fie ist tot.«
Bo wollte den Arm ausstrecken, seinen Bruder umarmen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht, die Arme hingen schlaff an den Seiten hinunter, unbrauchbar. Steffen ging weiter ins Wohnzimmer. Bo folgte ihm langsam, während er unverständliche Laute vor sich hin murmelte. Guns N’Roses grölten: »Welcome to the jungle, watch it bring you to your knees, knees, I wanna watch you bleed …«
»Können wir den Scheiß nicht leiser drehen, verdammt?«
Steffen war mit einem Satz am Regal und riss den Stecker aus der Steckdose, die Musik verstummte sofort. Die Stille war abrupt, anmaßend, und einen Augenblick standen sie nur da und sahen sich ratlos an, dann sank Steffen plötzlich weinend auf dem Ledersofa zusammen. Bos Rausch verzog sich augenblicklich, und er lief in die kleine Küche, um zwei Bier zu holen. Sie tranken schweigend, dann sagte Bo vorsichtig: »Sie ist tot, hast du gesagt? Sofie ist tot?«
Steffen seufzte laut und nickte.
Bo schluckte erneut. »Wie … wie ist es passiert?«
Steffen trank noch einen Schluck Bier, dann holte er eine Zigarette aus der Hemdtasche und zündete sie an, inhalierte tief, blies den grauen Rauch ins Zimmer und sah Bo von der Seite an. »Wir haben es gerade erst erfahren, deshalb weiß ich nicht wirklich viel. Die Polizei ist sich sicher, dass sie ermordet wurde, umgebracht. Sie war nackt.«
Bo wurde kurz schwarz vor Augen. Er drückte das kalte Bier fest gegen den Bauch, während er die Augen zusammenkniff.
»Willst du gar nicht wissen, wie sie ermordet wurde und wo sie gefunden wurde?«
Steffens Augen bohrten sich in ihn hinein, forschend und hart, und Bo gefror innerlich zu Eis.
»Natürlich, Mann. Ich bin nur total schockiert. Was zum Teufel meinst du eigentlich damit, ob ich das nicht wissen will? Was zum Teufel meinst du?«
Bo sprang vom Sofa auf und brüllte die Worte hinaus. Steffen starrte überrascht zu ihm hoch.
»Antworte mir endlich, Mann. Was meinst du damit?« Bo griff Steffen am T-Shirt und schüttelte ihn. Normalerweise hätte sein Bruder ihn einfach weggestoßen, er war immer der Stärkere gewesen und hatte als junger Mann Kampfsport betrieben, doch jetzt reagierte er nicht auf den physischen Angriff, sondern ließ sich wie eine Stoffpuppe durchschütteln. Bo ließ ihn los, das T-Shirt war am Hals gerissen.
»Entschuldige, Steffen. Ich wollte nicht …«
Steffen vergrub das Gesicht in den Händen, saß einen Augenblick da und erholte sich. Dann sah er zu seinem kleinen Bruder hoch.
»Das ist alles eine verdammte Scheiße. Fie ist heute Morgen von einem polnischen Bauunternehmer in einem Rohbau draußen in Avedøre Holme gefunden worden. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist … ich bin total durch den Wind.«
Steffens Stimme vibrierte vor Verzweiflung.
Bo setzte sich langsam wieder hin und nickte verständnisvoll. »Warum bist du hier? Das heißt, ich meine – warum bist du nicht bei Anita?«
»Anita!« Steffen schnaubte höhnisch und war wieder ganz der Alte. »Anita ist eine absolute Idiotin, ich halte sie einfach nicht mehr aus. Ich habe den ganzen Vormittag bei ihr gesessen und sie im Arm gehalten, schließlich musste ich ihre Freundin anrufen, damit sie kommt, um sie zu trösten.« Steffen strich sich über seinen kahlen Schädel und fügte hinzu: »Anita ist so verdammt paranoid geworden. Sie glaubt, dass Fie von jemandem umgebracht worden ist, den wir kennen. Der Gedanke lässt sie nicht mehr los. Sie hat diverse Verdächtige im Visier, unter anderem dich. Du hast schließlich kein Alibi.«
Bo wurde innerlich ganz kalt. Er nahm Augenkontakt zu seinem Bruder auf, einige Sekunden bestand die Welt nur aus schwarzen Pupillen und einer trübbraunen Iris in der Farbe, die sie beide von ihrer Mutter geerbt hatten. Steffen war es, der die Stille brach.
»Ich glaube natürlich nicht, dass du etwas damit zu tun hast. Verdammt, ich habe solche Angst …«
Es war das erste Mal überhaupt, dass Steffen das Wort Angst in den Mund nahm. Bo sah seinen Bruder an. Der
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