Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
vielleicht im Stall eingeschlafen war oder sich in der Box bei einem der Pferde verletzt hatte, doch sie war nirgends auf dem Gelände.«
»Sie sind der Letzte, der sie gesehen hat, oder?«, meinte Reza.
Philipsen nickte. »Stimmt, wenn man vom Täter absieht.«
»Was wollen Sie damit sagen?« Reza sah den Bereiter interessiert an, dessen bleiche Gesichtsfarbe von einer leichten Röte überzogen wurde.
»Sie wissen schon, was ich meine. Vermutlich hat ihr jemand etwas angetan, etwas Widerwärtiges, sonst wäre sie doch … nach Hause gekommen. Bitte unterlassen Sie die Andeutungen, dass ich etwas damit zu tun haben könnte.«
Philipsen wirkte verärgert. Er schien es gewohnt zu sein, sich Respekt zu verschaffen, und Rebekka konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Mädchen im Reitstall ein klein wenig Angst vor ihm hatten. Reza antwortete ruhig, dass er keineswegs etwas angedeutet, sondern lediglich zu den Fakten Stellung bezogen habe.
Philipsen seufzte laut. »Ich habe Caroline gestern Nachmittag kurz gesehen. Sie ist wie immer gegen sechzehn Uhr gekommen und ist mit ihrem Pferd ausgeritten. Was anschließend passiert ist, weiß ich aus guten Gründen nicht, weil ich selbst wegmusste. Ich hatte um siebzehn Uhr eine Besprechung und bin gegen zwanzig Uhr zurückgekommen. Da war hier alles leer und dunkel, und es stürmte kräftig.«
»Sind Sie das ganze Gelände abgegangen, als Sie zurückgekommen sind?« Rebekka stand auf und streckte die Beine. Die Schemel, die Philipsen ihnen angeboten hatte, waren reichlich unbequem.
»Normalerweise gehe ich alles ab, aber ich muss zugeben, dass ich das gestern nicht getan habe.« Philipsen wischte sich erneut die Stirn mit dem Taschentuch trocken. Er sah betreten aus. »Aber das habe ich natürlich nachgeholt, als die Eltern mich gegen einundzwanzig Uhr angerufen haben. Ich bin, wie gesagt, schnell hierhergekommen und habe alles gründlich abgesucht. Sie war nicht hier.«
»Wie lange kennen Sie Caroline Nørvang?«, fragte Rebekka.
Philipsen dachte gründlich nach, bevor er antwortete: »Ich denke, etwa zwei Jahre. Anfangs ist sie hergekommen und hat die anderen eingestallten Pferde geritten. Im Frühjahr hat sie dann ihr eigenes Pferd bekommen, einen Schimmel namens Perle. Sie liebt dieses Pferd und kommt jeden Tag her, auch an den Wochenenden. Sie macht mir den Eindruck eines pflichtbewussten Mädchens.«
»Hatte sie zu einem der anderen Mädchen engeren Kontakt?«
Philipsen zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht.«
»Sie sehen die Mädchen täglich. Da müssen Sie doch etwas gesehen und gehört haben?«
Philipsen schüttelte den Kopf, dann zeigte er mit beiden Händen auf seine Ohren. »Die sind verschlossen, wenn ich arbeite. Ich gebe Reitstunden, ich versorge die Stallungen, und das war’s.«
Sie verabschiedeten sich von ihm, nachdem sie sämtliche Gebäude auf dem Gelände noch einmal durchsucht hatten. Philipsen zufolge sah alles wie immer aus. Kurz darauf standen sie draußen am Auto. Rebekka sah ihren Partner resigniert an.
»Das hat uns auch nicht klüger gemacht.«
Reza nickte leicht verbissen. »Stimmt. Auf mich macht er einen unangenehmen Eindruck, dieser Philipsen. Und, darf ich heute fahren?«
»Du willst fahren, sagst du? Be my guest.« Sie warf ihm die Schlüssel zu, und er fing sie mit einer Hand. »Du musst aber versprechen, anständig zu fahren«, fügte sie hinzu. »Ich fühle mich zurzeit nicht ganz wohl.«
Reza lächelte ihr zu und fuhr mit quietschenden Reifen los.
—
»Ich möchte mit Søren Thomsen reden.«
Rebekka stand in Brodersens Büro. Noch immer fehlte jede Spur von Caroline Nørvang, obwohl alle Ressourcen eingesetzt wurden, um sie zu finden. Caroline war wie vom Erdboden verschluckt, und genau wie beim Verschwinden von Sofie Kyhn Larsen wurde die Polizei mit Anrufen von eifrigen Bürgern bombardiert, die gerne helfen wollten und meinten, ein Mädchen im Supermarkt, in der Bibliothek oder allein in Hvidovre, in Haderslev oder sogar in Skagen herumlaufen gesehen zu haben, auf das die Beschreibung von Caroline passte.
Brodersen sah Rebekka zwischen den Papierstapeln hindurch an. Sein Blick war trübe, und sie empfand Mitleid mit ihm und erkundigte sich nach seinem Befinden.
»Ach, es geht so«, antwortete er leise und schenkte ihr die Andeutung eines Lächelns.
»Ich habe gehört, dass deine Frau wieder krank geworden ist«, fuhr sie fort. »Das tut mir leid.«
»Der Brustkrebs hat im ganzen Körper gestreut. Es
Weitere Kostenlose Bücher