Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
ist nichts mehr zu machen. Hast du Marianne eigentlich schon mal getroffen?«
Rebekka nickte. Sie war Marianne Brodersen einmal vor vielen Jahren begegnet, als sie Praktikantin in der Mordkommission gewesen war und an einem größeren Abendessen teilgenommen hatte. Sie hatte eine vage Erinnerung an eine große, schlanke, gepflegte Frau mit einem stahlgrauen Pagenschnitt und klugen, braunen Augen.
»Weißt du, wir sind seit fünfunddreißig Jahren verheiratet und hatten uns darauf gefreut, den Ruhestand zuammen zu genießen. Wir haben so viele gemeinsame Interessen. Wir reisen gerne und spielen Golf, wir gehen ins Museum und lieben Musik.« Brodersen räusperte sich.
Rebekka blickte verlegen auf ihre Hände hinunter, die gefaltet in ihrem Schoß lagen, weiß und mit deutlich sichtbaren, sich windenden Adern.
»Unsere Pläne haben sich geändert, könnte man sagen. Jetzt bleibt uns nur noch wenig Zeit zusammen, und die möchte ich gerne nutzen. Ich werde im November gehen.«
Sie nickte und mied seinen Blick, weil sie befürchtete, dass ihr die Tränen kommen könnten.
»So ändert sich das Leben immer wieder«, fuhr Brodersen fort. »Man macht einen Plan, und dann passiert etwas ganz anderes. Kannst du dich erinnern, von wem die berühmte Zeile ist: Life is what happens to you while you’re busy making other plans?«
»Von John Lennon«, antwortete Rebekka und sah zu Brodersen hinüber, der wehmütig nickte.
»John Lennon, genau. Weißt du, dass ich in meinen jungen Jahren ein großer Beatles-Fan war?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: »Es ist mir damals gelungen, Karten für eins ihrer großen Konzerte hier in Kopenhagen zu bekommen, am 4. Juni 1964. Ich habe Marianne eingeladen. Damals waren wir seit ein paar Monaten ein Liebespaar. Es war ein phantastischer Abend, einer der besten in meinem Leben. Die Leute haben so getobt, dass das Konzert beinahe abgesagt worden wäre wegen des Tumults. Glücklicherweise ist es nicht dazu gekommen. Es war einfach großartig. Sie haben unter anderem She Loves You und I Wanna Hold Your Hand gesungen, und ich habe dabei Mariannes Hand gehalten. Das war sehr romantisch. Wir haben uns in der Menschenmenge aneinandergeklammert, es war klaustrophobisch und lustig zugleich.«
Brodersen lächelte verträumt bei der Erinnerung, und auch Rebekka musste lächeln. Sie stellte sich Brodersen mit pomadisierten Haaren und engen Hosen in einer Horde schreiender Fans vor.
»Nun gut«, der Chef der Mordkommission schlug mit den Händen auf den Tisch, »du willst mit Søren Thomsen reden, hast du gesagt?«
Rebekka nickte. »Ich bin mir darüber im Klaren, dass mein ursprünglicher Verdacht zur Festnahme von Søren Thomsen geführt hat, aber inzwischen sind mir Zweifel gekommen, inwieweit er unser Täter ist. Ich war bei den Verhören mehrmals dabei, und da ist irgendetwas …« Sie zögerte, suchte vergeblich nach den richtigen Worten und fügte dann hinzu: »Ich habe Angst, dass sich unser Blick auf Søren richtet und wir das sehen, was wir gerne sehen wollen.«
»Ich kann in Søren Thomsen durchaus unseren Täter sehen. Sofie Kyhn Larsen war keinen irgendwie gearteten sexuellen Übergriffen ausgesetzt, was sehr gut zu Søren Thomsens Profil passt. Den Ausführungen der Zeugen zufolge mochte er keine Berührungen …«
»Aber warum hätte er Sofie ermorden sollen? Er mochte sie doch«, wandte Rebekka ein.
»Vermutlich wollte sie bei seinen kleinen Spielchen nicht mehr mitmachen. Es kann sein, dass sie damit gedroht hat, ihn zu verraten. Es kann auch sein, dass sie ihn erpresst hat, Möglichkeiten gibt es genug.«
»Das stimmt. Mir fällt nur auf, dass er nie irgendwelche Details zu dem Mord preisgegeben hat. Was ist passiert? Wie hat er Sofie betäubt und vom Spielplatz weggetragen? Warum hat er ihre Leiche in diesen Rohbau in Avedøre Holme gelegt? Und was am wichtigsten ist: Wir haben keinerlei physische Beweise, die ihn mit dem Mord in Verbindung bringen, und er gibt immer wieder dieselbe oberflächliche Erklärung ab. Diese Erklärung kann sich jedes Kind aus den diversen Zeitungsartikeln zusammenstückeln. Er liefert kein neues Täterwissen. Und jetzt ist Caroline Nørvang verschwunden …«
»Es muss keinen Zusammenhang zwischen den Mädchen geben«, unterbrach sie der Chef der Mordkommission.
»Darüber bin ich mir im Klaren. Trotzdem ist es auffallend, dass innerhalb weniger Monate zwei ähnlich aussehende Mädchen in Kopenhagen verschwinden … Und
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