Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
einer SMS war zu hören. Reza fischte sein Handy aus der Tasche. Kurz darauf verschickte er selbst eine SMS .
»Mit wem korrespondierst du eigentlich so häufig in letzter Zeit?«, fragte sie und sah ihn verstohlen von der Seite an. Er klappte schnell sein Handy zu und steckte es in die Tasche.
»Ach, du weißt schon, Familienkram«, sagte er und erzählte eine Anekdote, wie Simonsen sich vor einem Zeugen blamiert hatte. Es gab unzählige solcher Geschichten, und normalerweise hätte Rebekka sich darüber amüsiert, doch jetzt spürte sie eine seltsame Unruhe im Körper. Sie wurde das Gefühl nicht los, ihren Partner im Stich gelassen zu haben. Auf die eine oder andere Weise.
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»Was machst du da, Mark?«
Tanja sah ihn mit verschlafenem Gesicht über die Decke hinweg an, und Mark legte schnell ein paar Reklameprospekte auf die ausgeschnittenen Buchstaben. Er hatte gehofft, dass sie lange schlafen würde, was sie für gewöhnlich tat, und er merkte, dass er wütend wurde. Das passierte seit dem Tod seiner Schwester immer öfter. Die Wut glomm in seinem Körper wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Eigentlich hatten sie gestern einen netten Abend gehabt. Sie hatten stundenlang GTA auf ihrer Playstation gespielt. Er liebte die Brutalität des Spiels – je blutiger, desto besser –, und mit der Zeit hatte auch Tanja es schätzen gelernt.
»Mark? Kommst du kuscheln?«
»Jetzt nicht. Ich muss das hier noch fertig machen. Schlaf weiter, wir können es uns später nett machen.«
»Was machst du denn da?«
Hörte sie denn nie auf? Warum musste sie ihn dauernd kontrollieren und wissen, was er machte? Plötzlich erinnerte sie ihn an seine Mutter. Die war genauso. Deshalb wurde Steffen so wütend. Mark biss die Zähne zusammen. Wenn sie sich jetzt stritten, würde er nie fertig. Er musste sie loswerden – im Moment war ihre Einzimmerwohnung zu klein. Er stand auf, ging zu ihr hinüber, ließ seine Stimme einschmeichelnd klingen.
»Tanja, Liebste, hör zu.« Er fuhr ihr mit der Hand über den Nacken, sie schloss die Augen, lag abwartend da.
»Wenn du uns bei dem leckeren Bäcker etwas zum Frühstück holst …«
Sie öffnete die Augen, sah ihn fragend an.
»Was ist dann?«
»Dann hab ich eine Überraschung …«
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Von Pandora …?«
Was zum Teufel war Pandora? Einen kurzen Moment hatte er keine Ahnung, wovon sie sprach. Dann fiel ihm das Armband ein, von dem sie seit Monaten quasselte.
»Ich sage nichts, es ist doch eine Überraschung«, antwortete er und blinzelte ihr zu.
Mit einem breiten Lächeln richtete sie sich im Bett auf. Kurz darauf knallte die Wohnungstür hinter ihr zu, und Mark setzte sich wieder an den Tisch und schaltete den Fernseher ein. Die verschwundene Caroline Nørvang flimmerte über den Bildschirm. Sie sah Sofie ähnlich, ein bisschen zumindest, und er merkte, wie sein Mund ganz trocken wurde. Er zappte durch die Kanäle, überall ging es um das Mädchen. Die Leute hatten Angst und versicherten, sie würden ihre Töchter momentan ganz besonders im Auge behalten. Ein Reporter fragte den leitenden Ermittler, ob es einen Zusammenhang zwischen der verschwundenen Caroline und der ermordeten Sofie gebe, doch der Kommissar ging nicht weiter darauf ein. Mark schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung aus und erholte sich einen Augenblick. Dann wurde ihm klar, dass das Timing perfekt war. Ein weiteres verschwundenes Mädchen würde Steffen Angst machen. Eine Heidenangst. Und wenn jemand Angst bekommen sollte, dann Steffen. Mark musste lächeln, dann holte er die Gummihandschuhe unter dem Stapel von Reklamesendungen hervor, zog sie an, griff nach der Schere und begann, sorgfältig Buchstaben auszuschneiden.
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Der Bereiter, Philipsen, hatte ein auffallendes Äußeres. Er war in den mittleren Jahren, klein, fast sehnig und hatte die längste und schmalste Nase, die Rebekka je gesehen hatte. Philipsen führte sie in ein provisorisches Büro am Ende eines Gebäudes mit Boxen auf beiden Seiten. Rebekka hatte schon immer den Pferdegeruch gemocht, Reza hingegen blinzelte und kniff den Mund fest zusammen. Nachdem sie Platz genommen hatten, fischte Philipsen ein kariertes Taschentuch aus der Jackentasche, wischte sich die Stirn ab und sah sie ernst an.
»Ich bin noch immer total schockiert, dass Caroline verschwunden ist. Ihre Eltern haben mich gestern Abend angerufen. Ich bin schnell noch einmal hergefahren, um nachzusehen, ob sie
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