Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
fest. Schließlich gab die Frau ihren Widerstand auf, und Rebekka konnte sie langsam wegführen. Die Erde unter ihnen war feucht vom Regen und mit gelben Blättern bedeckt, und mit jedem Schritt sanken sie ein, wie in Treibsand.
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»Sie haben die besten Lachssandwiches der Stadt, und da ich weiß, wie gern du Lachs isst, habe ich dir einfach eins mitgebracht, ohne dich erst anzurufen und zu fragen.«
Dorte stand freudestrahlend in der Tür zu Rebekkas Wohnung und hielt ihrer Freundin eine Tüte von einem Delikatessen-Take-away hin. Es war Abend, und Rebekka war gerade nach Hause gekommen, als Dorte angerufen und gefragt hatte, ob sie nicht schnell etwas zusammen essen wollten. Rebekka hatte gezögert, es war ein harter Tag gewesen, der damit geendet hatte, dass Regitze Nørvang in die Psychiatrie eingewiesen worden war. Trotzdem hatte sie das Gefühl gehabt, sich nicht drücken zu können, obwohl sie vor Müdigkeit total erschöpft war, und hatte mit unnatürlich frischer Stimme gesagt: »Na klar, komm vorbei.«
Dorte eilte in die Küche, holte ein Tablett heraus und packte die Sandwiches aus. Allein der Gedanke an Lachs verursachte Rebekka Übelkeit. Die Freundin hatte recht, normalerweise mochte sie Lachs, doch Fisch war das Letzte, worauf sie jetzt Lust hatte. Sie lächelte Dorte blass an, die sie aufmerksam beobachtete.
»Entschuldige, Bekka. Ich sehe dir an, dass Lachs nicht an oberster Stelle auf deiner Prioritätenliste steht. Manchmal bin ich so wahnsinnig ungeschickt, das hat Hans-David übrigens auch angesprochen, als wir uns neulich gesehen haben. Aber davon erzähle ich dir später. Soll ich dir schnell was anderes holen? Eine Pizza oder …?«
Rebekka hielt die Hand der Freundin in der Luft fest.
»Auf gar keinen Fall. Lachssandwiches sind gut. Weißwein?«
Rebekka hatte schnell eine Flasche kalt gestellt, als Dorte ihr Kommen angekündigt hatte, und die Freundin nickte erfreut.
»Gern. Was meinst du, sollen wir uns lieber aufs Sofa setzen? Das ist doch etwas bequemer als am Esstisch.«
»Von mir aus. Ich bin auch ein bisschen müde. Aber ich bin gespannt zu hören, wie es mit dir und Hans-David läuft. Wie war euer Date eigentlich?«
»Oh, don’t mention the bloody war.« Dorte lachte laut und fügte hinzu: »Es war eine Katastrophe. Er war ziemlich engagiert, aber ich nicht. Mir gefällt das Singleleben langsam so gut, dass ich gar nicht sicher bin, ob ich überhaupt zurück in unsere alte, vorhersehbare Zweisamkeit will, wenn du verstehst, was ich meine.«
Rebekka verstand sie nur zu gut. Sie war selbst lange Zeit Single gewesen. Das Gefühl von Freiheit war ihr wichtig. Sie hatte noch nie mit einem Mann zusammengewohnt, weshalb ihr die Beziehung zu Michael sehr entgegengekommen war. Eine Fernbeziehung. Sex und schöne Stunden, wenn sie sich sahen, aber sonst keine praktischen oder gefühlsmäßigen Bindungen. Und dennoch … Sie hatten sich immer eine Gute-Nacht- SMS geschickt. Zu Beginn der Beziehung hatte dieses kleine Ritual ihr Sicherheit vermittelt und sich gut angefühlt, doch irgendwann hatte es sie nur noch genervt, und die wenigen Male, wenn sie es vergessen hatte, war Michaels verletzter Blick fast zu spüren gewesen, was das Gefühl, gebunden zu sein, noch verstärkt hatte. Jetzt war sie frei, völlig frei, und trotzdem war das Gefühl bittersüß.
Sie biss in ihr Lachssandwich und spürte sofort, wie der Fisch in ihrem Mund wuchs. Wie üblich konnte sie der Freundin nichts vormachen.
»Du magst den Lachs nicht. Ich hätte dich fragen sollen …«
»Hör schon auf.« Rebekka schluckte den Lachs hinunter, bevor sie fortfuhr: »Ich bin im Moment irgendwie neben der Spur.«
»Wie meinst du das?«
Rebekka zuckte mit den Schultern – plötzlich war ihr nach Weinen zumute. Der Kloß im Hals wurde größer, und sie blinzelte schnell die Tränen fort.
»Ach, ich weiß nicht. Auf der Arbeit löst ein Fall den nächsten ab, und diese kleinen Mädchen … das geht mir an die Nieren. Uns allen. Ich fühle mich ausgelaugt, müde. Der Kaffee schmeckt mir nicht, vom Lachs wird mir schlecht …«
Dorte nickte, sie kannte das. »Du hast Stress, Bekka. Ich wäre auch total fertig, wenn ich in diesen Fällen ermitteln sollte. Herrgott noch mal, das ist doch verständlich. Außerdem hast du dieses Jahr keinen Sommerurlaub gehabt …«
Rebekka nickte nachdenklich. Dorte hatte recht. Sie hatte nur eine Woche frei gehabt, nachdem der Mord an der Sozialarbeiterin Kissi Schack
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