Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
darauf beendeten sie ihr Gespräch, und Rebekka versprach, Ryan zu informieren, sobald es etwas Neues gab.
Als sie schlafen ging, spukten Ryans Worte noch immer in ihrem Bewusstsein. Der Gedanke, dass es sich bei dem Täter um jemanden handeln könnte, der sich mit polizeilichen Ermittlungen auskannte oder vielleicht sogar selbst aus diesem Umfeld kam, war erschreckend. Rebekka zog die Decke fester um sich, sie fror plötzlich. Womöglich ist es jemand, den ich kenne? Der Gedanke war so widerwärtig, dass sie ihn sofort zur Seite schob. Sie schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken, während Ryans Worte weiter in ihrem Kopf kreisten. Es vergingen mehrere Stunden, bevor sie erschöpft einschlief.
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Søren Thomsen wurde am nächsten Vormittag freigelassen. Gundersen selbst informierte die Medien im Rahmen einer Pressekonferenz, auf der er die Maßnahmen darlegte, die die Polizei in Verbindung mit der Suche nach Caroline Nørvang eingeleitet hatte. Ganz nebenbei erwähnte er, dass Søren Thomsen nicht länger in Untersuchungshaft sitze und dass die Anklage wegen Entführung und Mord fallen gelassen worden sei. Die Journalisten zogen weiter Parallelen zwischen dem Mord an Sofie und Carolines rätselhaftem Verschwinden, und Gundersen versuchte geschickt, nicht darauf einzugehen und sie stattdessen mit Informationen zu füttern, welche Gebiete der Stadt im Laufe des Tages duchsucht werden sollten, um das kleine Mädchen zu finden.
Doch die Fragen hagelten auf ihn nieder. Ließ man da nicht einen potenziellen Täter frei, und wie wollte die Polizei garantieren, dass er nicht wieder töten würde? Gundersen erklärte ruhig, dass nicht genügend Beweise vorlägen, um Søren Thomsen länger in Untersuchungshaft zu behalten.
Rebekka betrachtete den Vizechef von der Seite. Seit ihrem Zusammenstoß hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, doch obwohl sie wütend auf ihn war und wusste, dass er die Regeln unterlief, musste sie zugeben, dass er nach außen hin einen ausgezeichneten Job machte. Genau wie Brodersen war er ein Politiker. Trotzdem konnte sie es nicht lassen, sich vorzustellen, wie sie, umringt von der Presse, vom aktuellen Stand der Ermittlungen berichtete. Rezas kryptische Worte, dass die Direktion sie als eine geeignete Nachfolgerin ansehen könnte, hatten ihrem Traum Nahrung gegeben, bis ganz an die Spitze der Polizei aufzusteigen, Einfluss zu erlangen, Macht. Und während Rebekka früher der Gedanke geängstigt hätte, die volle Verantwortung für eine Abteilung wie die Mordkommission zu tragen, stellte sie jetzt fest, dass sich das geändert hatte. Allmählich war sie bereit.
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Der Pizzabote hatte gerade zwei Pizzen für Rebekka und Reza gebracht, als Super, der älteste Ermittler der Gruppe, atemlos in ihr Büro gestürzt kam.
»Wir haben noch eine.«
»Was meinst du?« Rebekka sah zu ihm hoch.
Er nickte mit hochrotem Gesicht ob der Kraftanstrengung. »Wir haben noch ein verschwundenes Mädchen. Nete Lindemann heißt sie. Sie ist zwölf Jahre alt und kommt aus Hellerup.«
»Das ist nicht wahr!« Rebekka merkte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich. Ihr erster Gedanke war Søren Thomsen, der gerade freigelassen worden war. Wenn Gundersen doch recht gehabt hatte …
»Die Nachbarn haben angerufen. Sie haben die Mutter bewusstlos zu Hause gefunden, und die Tochter ist weg.«
»Kann das Mädchen nicht bei jemandem aus der Familie oder bei Freunden sein?«
Super schüttelte den Kopf. »Nein, den Nachbarn zufolge, die die Familie sehr gut kennen, konnte die Mutter, bevor sie ins Krankenhaus gebracht wurde, noch murmeln, dass die Tochter verschwunden ist. Die Mutter ist krank, sehr krank. Krebs im Endstadium.«
Rebekka nahm den Zettel, den Super ihr reichte. Reza erhob sich ruhig und sah Super an.
»Die Nachbarn, sagst du. Gibt es keinen Vater?«
»Soweit ich weiß, nicht.« Super zuckte mit den Schultern. »Ich weiß allerdings nicht so viel. Brodersen hat mich nur gebeten, euch sofort da rauszuschicken.«
Drei verschwundene Mädchen innerhalb von zwei Monaten. Eins davon war ermordet worden. Was war mit den anderen? Das abendliche Gespräch mit Ryan tauchte in Rebekkas Gedanken auf, und ihre Kehle schnürte sich vor Angst zusammen. Sie eilten zum Auto hinunter und fuhren nach Hellerup, das, wie sie beide feststellten, beängstigend nahe an Klampenborg lag, wo Caroline Nørvang verschwunden war. Sie hatten nur wenig Informationen. Nete Lindemann wohnte mit ihrer Mutter, Ane
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