Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
könnte ausgerissen sein? Sie ist gerade in die Pubertät gekommen, ihre Mutter liegt im Sterben, und sie hat keinen Vater und keine nahe Familie. Sie steckt in einer tiefen Krise, daran besteht kein Zweifel«, antwortete Reza, setzte sich ins Auto und legte den Sicherheitsgurt an. Rebekka blieb grübelnd neben dem Auto stehen.
»Kommst du?«, rief er.
Rebekka nickte nachdenklich, nahm auf dem Fahrersitz Platz und versuchte das Gefühl zu verdrängen, dass Nete nicht mehr auftauchen würde. Zumindest nicht lebend.
—
Die Bekanntgabe von Nete Lindemanns Verschwinden setzte in Kopenhagen eine Massenhysterie in Gang. Die Presse sendete live aus diversen Straßen und Gassen, die verlassen dalagen. Die Bevölkerung war verschreckt, und diejenigen, die es noch nicht waren, änderten ihre Meinung spätestens, nachdem sie die Nachrichten gesehen hatten, in denen ein Journalist nach dem anderen immer wieder betonte, wie gefährlich es gerade jetzt für minderjährige Mädchen sei, sich alleine in Kopenhagen und Umgebung aufzuhalten. Niemand könne sich sicher fühlen. Es gab Reportagen aus mehreren Schulen, deren Direktoren zu berichten wussten, dass kein Kind allein nach Hause ging. Die Sicherheitsmaßnahmen wurden überall verschärft. Hubschrauber brummten wie schwarze Punkte in der Luft, und für die Suche nach den beiden Mädchen waren sowohl die Heimatschutztruppe wie auch der Zivilschutz einberufen worden.
Gundersen, Brodersen und Simonsen fuhren mit einer Mannschaft Techniker zum Esrum-See hinaus, um die fragliche Hütte zu durchsuchen und das umliegende Gebiet zu durchkämmen, in dem Nete und ihre Mutter sich aufgehalten hatten. Konkret deutete nichts daraufhin, dass die Hütte ein Tatort sein könnte. Sämtliche Fenster waren verschlossen, es gab keine Anzeichen eines Einbruchs oder eines Kampfes der einen oder anderen Art.
Währenddessen arbeiteten Rebekka und Reza weiter an den Hinweisen aus der Bevölkerung. Eine E-Mail aus dem Labor bestätigte, dass die Blutspuren auf dem Parkplatz in der Nähe des Bahnhofs Klampenborg von Caroline Nørvang stammten. Die Hoffnung schwand.
Irgendwann steckte Super den Kopf zur Tür herein.
»Sieh mal in deinen Posteingang. Wir haben noch einen anonymen Brief bekommen, der genau wie der erste in Hvidovre abgestempelt wurde.«
Reza stand auf und stellte sich hinter sie, während sie die entsprechende Mail öffnete und sich das Foto des Briefes ansah – ein gewöhnlicher weißer DIN - A 4-Bogen mit ausgeschnittenen, farbigen Buchstaben. Sie erinnerten an die Buchstaben aus einem Katalog oder einer Reklame.
Steffen Olsen hat auch das neue Mädchen umgebracht.
Rebekka starrte den Brief mit gerunzelter Stirn an. Das musste ein Dummejungenstreich sein. Hvidovre sagte ihr etwas. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen und drehte sich zu ihren Kollegen um.
»Wie ich schon letztes Mal gesagt habe, bin ich überzeugt, dass es sich um einen Dummejungenstreich handelt. Ich stelle mir einen Jungen oder einen jungen Mann vor, vermutlich Legastheniker …«
Sie verstummte abrupt. Sofies älterer Bruder Mark war Legastheniker. Ein legasthenischer junger Mann, der seinen Stiefvater nicht leiden konnte. Dann erinnerte sie sich, das Mark erzählt hatte, dass seine Freundin Tanja in Hvidovre wohnte. Natürlich. So musste es sein. Mark steckte hinter den anonymen Briefen.
Super wurde losgeschickt, um mit dem jungen Mann ein ernstes Wort zu reden, falls er gestehen sollte, hinter den Briefen zu stecken.
Rebekka stürzte sich erneut in die Arbeit. Ihre Hand schmerzte immer stärker, während sie einen Anruf nach dem anderen beantwortete, und sie musste in regelmäßigen Abständen aufstehen und die Hände ausschütteln, um weitermachen zu können. Gerade hatte sie den Hörer aufgelegt, nachdem sie ihre Zeit auf einen weiteren unbrauchbaren Hinweis verschwendet hatte, als Ryan zur Tür hereinkam. Rebekka sprang überrascht auf.
»Du bist zurück?«
»Ja, ich habe einen früheren Flieger bekommen als geplant.«
Reza nickte Ryan ein wenig reserviert zu und verließ wenig später mit der Tasche über der Schulter das Zimmer. Ryan setzte sich auf seinen Stuhl, schlug die Beine übereinander und sah sie abwartend an.
»Was ist hier los? Ich habe die panische Atmosphäre bis auf den Gang hinaus gespürt.«
»Es ist noch ein Mädchen verschwunden.«
»Ich weiß. Das hast du mir am Telefon erzählt.«
»Nein, ein drittes Mädchen …«
»Wie bitte?«
Ryan wurde ganz blass, doch
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