Todessommer: Thriller (Rebekka Holm-Reihe) (German Edition)
sehr stolz. Als es gedämmert hat, habe ich sie gefragt, ob wir nicht mit der Jolle eine kleine Segeltour machen und die Sterne ansehen wollen. Währenddessen hat sie den Kakao getrunken. Sie ist schnell eingeschlafen. Als ich sicher war, dass sie nicht aufwachen würde, habe ich sie über Bord gestoßen. Sie war schwer, schwerer als ich angenommen hatte. Das war harte Arbeit für mich, ich habe doch fast gar keine Kraft mehr. Dann war ich an der Reihe. Ich habe eine Überdosis Tabletten genommen. Der Plan war, dass ich auch sterben würde. Wir wollten uns doch auf der anderen Seite treffen.«
Ane Lindemanns Stimme wurde immer trockener, während sie sprach. Rebekka reichte ihr in regelmäßigen Abständen das Wasserglas, und sie beugte sich mühsam vor, um ein wenig zu trinken. Sie sah Rebekka dankbar an, bevor ihr nackter Kopf auf das Kissen zurückfiel.
»Ich weiß nicht, wie lange ich in der Jolle gelegen habe. Mindestens einige Stunden. Ich bin wieder zu mir gekommen, als ich vor Kälte gezittert habe. Die Sonne ging langsam auf, das Wasser war völlig still. Es sah schön aus. Ich war erschüttert, dass mein Plan nicht aufgegangen war, dass ich nicht auf der anderen Seite angekommen war. Ich bin an Land gerudert, habe unsere Taschen geholt und bin nach Hause gefahren. Ich habe mir noch mehr Tabletten aus dem Medizinschrank geholt und eine Menge genommen, ich wollte nur noch sterben. Dann erinnere ich mich erst wieder, dass Svend und Gerda mich geschüttelt haben. Sie haben mich natürlich nach Nete gefragt, und ich habe sie angelogen. Ich konnte es ihnen nicht erzählen, das habe ich nicht übers Herz gebracht …«
Ane Lindemann verbarg das Gesicht in den Händen. Die Tränen sickerten durch ihre Finger hindurch. Rebekka ließ sie weinen, während sie ihren schmalen Handrücken streichelte.
Eine Stunde später überquerte Rebekka den halb leeren Parkplatz vor dem Hospiz. Der nächtliche Himmel war schwarzblau mit kleinen weißen Sternenpunkten. Sie fröstelte in ihrem dünnen Mantel, setzte sich in das kalte Auto, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und verlor sich in ihren Gedanken. Anes Geschichte ließ sie nicht los. Sie hatte Brodersen angerufen, der über den Ausgang erleichtert schien und sagte, sie würden am nächsten Morgen im Esrum-See nach Nete suchen. Eine Weile erwog sie, Ryan anzurufen, brachte es aber nicht fertig, sondern schickte ihm stattdessen eine SMS . Kurz darauf kam eine zurück. Sie ging davon aus, dass sie von Ryan war, stellte jedoch überrascht fest, dass sie von Niclas kam. Hallo, Rebekka. Habe mehrmals vergeblich versucht, dich anzurufen. Denke, wir sollten reden. Ruf an. Drück dich, Niclas.
Verwirrt legte sie das Handy weg, stellte den Fuß aufs Gaspedal und donnerte los.
—
Bo bewegte sich im Schlaf. Er war zurück in der Straße, in der er als Kind gewohnt hatte. Im Traum tranken er und Steffen Maibowle in den dunkelblauen Liegestühlen im Garten ihrer Großeltern. Die Luft war gesättigt von Vogelgezwitscher und dem Geruch der Grillkohle, und die Maibowle klebte im Mund. Es war eine der schönsten Erinnerungen, die er von damals hatte, und er hegte und pflegte sie und war froh, dass er oft im Traum dorthin zurückkehren konnte.
Plötzlich weckte ihn der Ton der Türklingel, und er warf einen schnellen Blick auf den Wecker. 02:21. Wer zum Teufel läutete mitten in der Nacht? Das Klingeln hielt an, und er sprang aus dem Bett. Die Nachbarn würden aufwachen, wenn er nichts tat, und wenn er eines nicht ertrug, war es die Auseinandersetzung mit ihnen – aktive Ehepaare im Alter seiner Eltern, falls diese noch leben würden. Er lief zur Gegensprechanlage und wäre beinahe über seine Sportschuhe gefallen.
»Ja«, murmelte er in den Hörer und hörte Steffen, der in kommandoartigem Tonfall verlangte, hereingelassen zu werden, und zwar sofort. Kurz darauf stand sein großer Bruder vor ihm, ein wenig außer Atem. Bo verstand nicht, wie er so schnell die Treppe hatte heraufkommen können, wo doch der Fahrstuhl kaputt war. Er selbst brauchte lange, um die Treppe zu bezwingen, und war immer ganz blau im Gesicht, wenn er oben in seiner Wohnung angekommen war. Es war schon schön gewesen, Sofie als Einkaufsboten zu haben – damals.
»Das perverse Schwein. Hast du das gehört?«
Steffen sah seinen Bruder mit großen, Furcht einflößenden Augen an, und Bos Angst wurde größer. Was jetzt? Er schüttelte heftig den Kopf.
»Dieser Einfaltspinsel, dieser Søren Thomsen,
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