Todesspiel
herum. Gerade, als ich vor der Tür stand, war Ihnen die Erleichterung deutlich anzusehen, dass ich es war und nicht einer der Typen, mit denen Sie wahrscheinlich gerechnet haben. Und jetzt packen Sie aus, sonst ist es vielleicht das Schmerzloseste, wenn Sie Ihre .22er nehmen und sich gleich selbst eine Kugel in den Kopf jagen. Denn die Leute, die hinter Ihnen her sind, werden Sie kriegen, darauf können Sie einen lassen. Und was die mit Ihnen anstellen, kann schlimmer sein als eine Kugel im Kopf. Richtet sich ganz danach, was Sie und Tyrell – aus deren Sicht – auf dem Kerbholz haben. Oder was Sie wissen.«
Corrie Montega atmete tief durch.
Das hat gesessen , dachte Cotton. Jetzt gebe ich ihrem Hirn fünf Sekunden für die Datenverarbeitung, keinen Augenblick länger.
Corrie brauchte nur zwei Sekunden.
»Sie haben mit allem recht«, gab sie zu und ließ sich in einen der Sessel sinken. Ihre ganze Haltung, die sie bisher bewahrt hatte, fiel im wahrsten Sinne des Wortes zusammen. Sie saß da wie ein Häufchen Elend. Wahrscheinlich wurde ihr jetzt erst klar, dass sie keine Chance hatte. Jedenfalls nicht auf sich allein gestellt.
Cotton hielt ihr sein Smartphone hin. Der Touchscreen zeigte einen Schnappschuss von Raymond Yun. »Sie haben diesen Mann gesehen und erkannt. Er heißt Raymond Yun.«
»Wie er heißt, weiß ich nicht«, sagte sie.
»Aber Sie haben ihn erkannt.«
»Er gehört zum Gefolge von James Cho. Ich weiß nicht, ob Ihnen dieser Name was sagt.«
»Allerdings. Aber mich würde interessieren, wieso James Cho es auf Tyrell abgesehen hat und einen Killer ausschickt, um ihn umzulegen.«
»Weil …« Sie zögerte. Da war etwas. Etwas, von dem Cotton instinktmäßig fühlte, dass es dem Fall eine entscheidende Wende geben konnte. Ein fehlendes Puzzleteil, durch das vieles plötzlich einen Sinn ergeben würde. Aber Corrie zögerte. Sie überlegte wohl noch, ob sie Cotton wirklich trauen konnte.
Sie schwieg.
Okay, du hast es nicht anders gewollt , dachte Cotton.
»In Ordnung, Corrie. Dann werde ich Raymond Yun danach fragen. Oder Ryan McKenzie, seinen Komplizen. Die werden nämlich reden, sobald der Staatsanwalt ihnen etwas anbietet. Und in Kürze werde ich vielleicht sogar James Cho danach fragen, was eine gewisse Corázon Montega mit der Sache zu tun hat.«
»Hören Sie auf!«
»Und es könnte sogar sein, dass ich den Staatsanwalt davon überzeugen kann, dass Sie vielleicht Mittäterin waren – denn Sie kannten Yuns Absicht. Zurzeit befragen zwei Dutzend Cops jeden Gast und Angestellten des Magico, der sich noch auftreiben lässt. Glauben Sie mir, irgendjemand wird schon dasselbe gesehen haben wie ich!«
»Ich sage Ihnen alles«, versprach Corrie. »Aber Sie müssen dafür sorgen, dass ich in Sicherheit komme!«
»Erst mal sehen, was Sie zu bieten haben, und ob das wirklich alles ist«, erwiderte Cotton. »Dann sehen wir weiter.«
*
In diesem Moment krachte es. Jemand hatte die Tür eingetreten. Cotton griff zur Waffe, wirbelte herum. Da stand schon ein Mann in der Wohnzimmertür. Schwarzer Rollkragenpullover, blauschwarzes Haar, hohe Wangenknochen, asiatisch wirkende Gesichtszüge. Mit beiden Händen hielt er eine Automatik mit aufgesetztem Schalldämpfer.
Mündungsfeuer züngelte aus dem Schalldämpfer wie die blutrote Flammenzunge eines Drachen.
Ein Geräusch, das wie der Schlag mit einer aufgerollten Zeitung klang, mischte sich mit dem wummernden Krachen von Cottons Dienstwaffe.
Beide schossen fast gleichzeitig.
Die erste Kugel schlug in die Schulter des Kerls im Rollkragenpullover. Deshalb verriss er seinen Schuss. Haarscharf zischte sein Projektil an Cotton vorbei und ließ ein Fenster zerspringen. Der Mann im Rolli ließ Cotton keine Wahl. Er taumelte unter der Wucht des Treffers zwar zurück, riss seine Waffe aber noch einmal hoch. Ein Schuss aus maximal drei Metern Entfernung war eigentlich ein sicherer Treffer. Doch Cotton kam dem Gegner zuvor. Zwei Schüsse trafen den Unbekannten ins Herz, einer in den Kopf. Er taumelte gegen den Türrahmen und rutschte daran zu Boden, wobei er eine rote Spur hinter sich herzog, denn die Austrittswunden bluteten heftig. Es sah aus wie ein roter Pinselstrich auf dem Holz des Türrahmens.
*
Es war schon weit nach Mitternacht, als Cotton zusammen mit Dillagio und Decker in Corrie Montegas Wohnung stand.
Der Gerichtsmediziner war gerade eingetroffen und führte seine Erstuntersuchung durch.
»Sie lassen auch kein Wespennest aus«, murmelte
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