Todesspiel
immer leicht, nach einem emotional aufwühlenden Richtungswechsel sein Leben wieder zurück aufs normale Gleis zu bringen. Man entwickelt Schuldgefühle, wenn man an andere Beziehungen denkt, die einem nicht zur Ehre gereichen, und man vermeidet es dann, dem derzeitigen Partner ins Auge zu schauen. Wenn man es aber tut, erkennt man, dass das, was geschehen ist, kein Missverständnis war, kein banaler Zwischenfall, kein Fantasiegebilde, kein Traum, sondern dass es einfach passiert ist … Und dass es Folgen haben wird.
Ich wachte auf, öffnete die Augen, als LuEllen sich neben mir bewegte, drehte mich weg, schloss schnell die Augen wieder. Sie streckte sich, und es war ein gutes Gefühl, die Wärme eines Menschen neben sich im Bett zu spüren. Zwei Stunden waren erst vergangen, und es war noch nicht dunkel draußen. Schließlich richtete sie sich auf, wie ich aus den Augenwinkeln
sah, streckte sich und gähnte. Sie summte eine Melodie vor sich hin. Sie schüttelte ihr Kopfkissen auf. Sie schnurrte behaglich wie eine Katze. Sie fragte: »Bist du wach?«
Ich täuschte Schläfrigkeit vor, grunzte: »Vielleicht …«
»Wir brauchen jetzt unbedingt ein paar Tafeln Schokolade.« Sie sprang vom Bett und hüpfte nackt durchs Zimmer, eine rosarote Verlockung der ganz besonderen Art. Ich spürte den Drang, sie zu zeichnen, wie ich es schon so oft getan hatte, aber ich wusste, wohin das führen würde.
»Lass es uns noch mal machen«, sagte sie.
»Ich bin ein alter Mann«, grunzte ich.
»Besser, in Übung zu bleiben, als langsam einzurosten.«
»Lass mich schnell noch die Zähne putzen … Aber geh du zuerst ins Bad.«
Wir machten alles so, wie es geplant war, und als ich nach einer – wie mir schien – kurzen Zeitspanne auf die Uhr sah, waren wieder zwei Stunden vergangen. »Oh … Verdammter Mist.«
»Was ist los?« Sie schaute hinunter auf ihre Zehen, wackelte mit ihnen; sie sahen aus wie kleine Ferkelchen.
»Wir müssen in Washington anrufen.« Ich streckte mich und gähnte. »Und zwar schleunigst.«
»Komm schnell noch mit unter die Dusche.«
»Wenn wir zusammen unter die Dusche gehen, kommen wir nicht rechtzeitig wieder raus, um den Anruf zu machen«, knurrte ich.
»Ach was, komm …«
Schließlich machten wir uns, noch ein wenig feucht vom Duschen, auf den Weg zu einer Telefonzelle. Mit einer von LuEllens Telefonkarten rief ich die FBI-Nummer an, die ich von meinem Freund in Montana erhalten hatte.
Irgendwo im – wie ich hoffte – verlassenen und verschlossenen
Büro eines hochrangigen FBI-Bürokraten wurde ein Computer aktiviert. Ich habe mich schon oft ins FBI-System eingeklinkt, und normalerweise musste ich mich Schritt für Schritt durch das System hangeln, um auf die gewünschte Information zu stoßen. Diesmal aber wurde der Desktop des FBI-Sesselfurzers aktiviert, und der Index der gespeicherten Dateien wurde mir zur Auswahl angeboten. Eine war Jackson benannt. Sie war letztmals vor zwei Stunden geöffnet worden.
»Mein Gott, ist das nicht zu einfach?«, sorgte sich LuEllen. Sie schaute nach rechts und links die Straße hinunter: Kein schwarzer FBI-Hubschrauber in Sicht, nicht einmal ein unverdächtiger schwarzweißer …
»Nein«, sagte ich. »Es läuft genau so, wie es mein Montana-Freund angekündigt hat. Ich mache mir keinerlei Sorgen. Selbst wenn sie eine Falle vorbereitet hätten, wären wir weg von hier, ehe sie zuschnappen kann.«
Die Datei Jackson enthielt eine Reihe von Memos, aus denen in Kurzfassung Folgendes hervorging: (1) Die Feds hatten keinen Zeugen auftreiben können, der die Feuerkreuz-Akteure gesehen hatte. (2) Bobby war nach ersten Ergebnissen der gerichtsmedizinischen Untersuchung mindestens zwölf Stunden vor dem Abfackeln des Feuerkreuzes getötet worden, aber nicht mehr als vierzehn Stunden davor, da er zu dieser Zeit noch lebend gesehen worden war. (3) Bobby hatte seit seiner frühen Kindheit an einer degenerativen Nervenerkrankung gelitten und war seit vierzehn Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. (4) Er hatte seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Computerkodes verdient. (5) Sein Pfleger, ein Mann namens Thomas Baird, hatte ihn lebend und wohlauf noch um vierzehn Uhr am Todestag angetroffen. (6) Das Abfackeln des Feuerkreuzes konnte auch als Versuch bewertet werden, eine falsche Spur zu legen.
Dieses letzte Memo enthielt auch die Vermutung, die Zeitdifferenz zwischen dem Mord und dem Feuerkreuz-Abbrennen könne bedeuten, dass die beiden Taten getrennt
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