Todesspiel
Ostküsten-Zeit.«
»Was? Das läuft über irgendeinen Schreibtisch?«
»Ja.« Für ihn schien das ganz normal zu sein. »Eine erstklassige Quelle. Kriegt täglich ein Memo über jeden heißen Fall im Land … Kriminalfall, wohlgemerkt, in Spionagefällen ist er nicht so gut. Aber du willst ja Kriminalfälle, oder?«
»Ja, natürlich. Dein Angebot klingt gut. Wie viel willst du dafür haben?«
»Dir mache ich einen Sonderpreis. Wie wär’s mit einem Fünfhundert-Dollar-Geschenkgutschein bei Amazon?«
»Du kriegst ihn noch heute Morgen.«
»Hast du was zum Schreiben?«
Er gab mir eine Telefonnummer, einen Namen und ein Passwort, und ich hatte alles, was ich brauchte. Wir fuhren ein Stück weiter die Straße hinunter zu einer anderen Telefonzelle, und ich belastete das Visa-Kreditkonto meines alten Freundes Harry Olson in Eau Claire, Wisconsin, mit einem Geschenkgutschein in Höhe von fünfhundert Dollar. Dieser mein Freund Harry hat das sauberste Kreditkartenkonto in den ganzen USA, was darauf zurückzuführen ist, dass er real nicht existiert und dennoch alle Rechnungen sofort begleicht.
LuEllen verbrachte den Großteil des Tages in der Stadt. Sie ist ein sportlicher Typ, hatte nach und nach eine Vorliebe für Golf entwickelt, und sie ist schon immer eine unverbesserliche Shopperin gewesen. Ich erwartete, dass sie am späten Nachmittag mit einem Sonnenbrand vom Golfplatz und vielerlei Einkaufstaschen aus dem örtlichen Einkaufscenter zurückkam.
Während sie sich also einen Sonnenbrand holte und die finanzielle Stabilität der Firmen Abercrombie & Fitsch, The Gap und anderer sicherstellte, beschäftigte ich mich mit Bobbys DVDs. Da sie keinen Index hatten, schrieb ich ein kleines vierzeiliges Perl-Skript, das das Material auf jeder einzelnen DVD nach verschlüsselten Dateien durchsuchte und sie aussortierte.
Als das geschehen war, blieb nicht viel übrig. Ich ging den Rest durch und fand nur unbedeutenden Müll – wenn nicht das, dann eine Menge Zeug, das einfach unbrauchbar war, es sei denn, man interessierte sich für ganz spezielle Themen. Meist handelte es sich um Datenbanken von Regierungsbehörden und Zeitungen. Wenn man zum Beispiel tausendsechshundert Memos des Innenministeriums aus der Zeit zwischen August 1999 und Januar 2002 brauchte, so waren die hier zu finden. Wenn man aber nicht wusste, welches spezielle Memo man benötigte, watete man in Müllbergen.
Nach sechs Stunden Arbeit kam ich zu dem Schluss, dass die DVDs wahrscheinlich sicher waren. Die nichtverschlüsselten Inhalte stammten allesamt aus öffentlichen Datenbanken, soweit ich feststellen konnte. Ich würde sie später genauer durchforsten, aber sie sahen zunächst einmal nicht so aus, als wären sie eine Bedrohung für uns.
Ich hatte rund sechzig DVDs überprüft, als LuEllen zurückkam, wie erwartet beladen mit Einkaufstaschen. Sie warf sie aufs Bett, schaltete den Fernseher ein und ließ sich vom Wetterbericht
informieren, wie es um die Überbleibsel des Hurrikans stand. Er war als ausgewachsenes Tiefdrucksystem über Tifton, Georgia, zum Stehen gekommen und hatte der Stadt eine Niederschlagsmenge von 120 Litern pro Quadratmeter in vierundzwanzig Stunden beschert, was zu einer Überflutung des örtlichen McDonalds und anderer zivilisatorisch bedeutsamer Objekte geführt hatte. Auch CNN räumte dieser Sintflut breiten Raum ein; die Berichterstattung über den Feuerkreuz-Mord war weit nach hinten gerückt.
Nur der Pressesprecher des Präsidenten gab eine Erklärung ab, in der Rassenmord und Feuerkreuze heftig gegeißelt wurden: Beides sei nicht nur kriminell, sondern vor allem auch unamerikanisch. Er ließ gewaltig Dampf ab und benutzte im Zusammenhang mit dem Mord Ausdrücke wie »eines menschlichen Wesens unwürdige Handlung«. Kurz darauf berichtete er jedoch fröhlich von der gelungenen Brustkrebsoperation bei einem der Hunde des Präsidenten.
Während wir uns die Hunde-Story ansahen, berichtete ich LuEllen nebenher vom Ergebnis meiner DVD-Arbeit, und sie nickte: »Ich hab’ dir ja gesagt, Bobby war immer vorsichtig.«
»Aber, verdammt, ich möchte diesen Laptop finden«, sagte ich. »Ins FBI-Netz kann ich erst um sieben heute Abend rein. Nach den Fernsehberichten haben sie noch kaum was erreicht.«
»Die TV-Leute wissen nicht viel«, sagte sie. »Sie geben nur Meldungen der Presseagenturen weiter.«
Sie sagte, sie habe auf dem Driving Range sechs Körbe mit Golfbällen verfeuert und rieche wohl ein wenig nach
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