Todesspiel

wie Espenlaub.« Sie lachte. »Aber ich bin fast sicher, dass uns niemand gesehen hat. Im Park waren viele Leute, aber als ich beim Losfahren zurückgeschaut habe, war niemand auf der Straße zu sehen, auch kein fahrendes Auto. Mittagszeit. Niemand hat uns gesehen. Und wir beide waren mittendrin in einer Schießerei …«
    »Der Kerl ist doch total beknackt«, sagte ich. »Wenn ihn jemand mit der Waffe in der Hand rumlaufen sah … Aber uns hat bestimmt keiner aus der Nähe gesehen.«
    Sie lachte weiter, fuhr zu schnell, und ich musste sie energisch zurechtweisen. »Was für eine herrliche Aufregung«, kicherte sie. »Wie wunderbar aufregend!«

14
    Wir fuhren eine halbe Meile weiter, reihten uns in den Verkehrsstrom ein, achteten auf alles, was sich schneller als normal bewegte. Nach drei oder vier Minuten machten wir kehrt und fuhren zurück in die Gegend des Parks, hielten nach dem Corolla Ausschau. Wir fanden ihn nicht, sahen auch Carp selbst nicht noch einmal. Das Leben um und im Park ging seinen gewohnten Gang – keine Cops waren zu sehen, auch keine Ansammlung von Menschen, die sich nachdenklich den Kopf kratzten. Wir zuckten zusammen, als plötzlich eine laufende Gestalt auftauchte, aber es war ein Kind, das seiner Lebensfreude Ausdruck gab. Wir hatten uns eine Schießerei mit einem Verbrecher geliefert, und niemand hatte Notiz davon genommen …
    »Lass uns in einen Zoo oder so was gehen«, sagte LuEllen.
Sie war immer noch high – ihre Augen funkelten, die Wangen waren leicht gerötet. »Komm, wir klettern irgendeinen Berg hoch. Oder joggen ein paar Meilen. Lass uns irgendwas unternehmen. Ich kann jetzt nicht in diesem Hotelzimmer rumsitzen. Das halte ich nicht aus.«
    »Vielleicht könnte ich …« Ein Gedanke war mir durch den Kopf gezuckt.
    LuEllen reagierte nicht sofort, fragte dann aber: »Was könntest du?«
    Ich schaute aus dem Wagenfenster zu einer Frau in einer mohnroten Bluse hinüber, die ein Hündchen in der Größe eines Biskuits an der Leine führte. »Fahr einfach weiter, rede nicht mit mir, okay?«
    Ich kippte die Sitzlehne so weit zurück, wie es ging, legte die Arme vor die Augen, versuchte, meinen Gedanken auszuarbeiten. Machte das Zahlenspiel. Dachte an das Tarot, an den umgekehrten König der Kelche. Mittendrin fragte LuEllen einmal: »Ist alles in Ordnung mit dir?«, aber ich gab keine Antwort. Ich spürte das Rumpeln der Räder auf dem Asphalt, spürte, dass wir auf eine rote Ampel zurollten, spürte LuEllens fragenden Blick.
    Fünf Minuten verstrichen, ich machte das Zahlenspiel, dann fragte LuEllen ungeduldig: »Kidd, was ist los mit dir? Du hast doch nicht etwa einen Schlaganfall erlitten oder so was?«
    Ich atmete tief durch, stellte die Rückenlehne wieder aufrecht, schaute aus dem Fenster. Wir steuerten gerade eine Kreuzung in einem Gewerbegebiet an, und links vor uns konnte ich das Washington Monument sehen, ein weißer Pfeil vor dem blauen Himmel. Ein schöner Sommertag … »Dieser verdammte Mistkerl«, stieß ich aus.
    »Wer?«
    »Carp. Carp ist Lemon …«

    Sie merkte zu spät, dass die Ampel inzwischen auf Rot geschaltet hatte, gab Gas, rauschte über die Kreuzung, sagte dann: »Das musst du mir erklären …«
    »Wir kriegen völlig unerwartet eine Nachricht von Bobby – aber sie muss nicht von Bobby stammen, sie kann ja auch von jemandem geschickt worden sein, der weiß, dass Bobby tot ist. Sie verlangt nicht zwangsweise eine Kontaktaufnahme, räumt uns nur die Möglichkeit dazu ein, überlässt es uns, was wir daraus machen, um uns in Sicherheit zu wiegen. Wir nehmen Kontakt auf, werden schließlich nach Washington zu Carps Apartment in der Clay Street dirigiert … John ist ein Schwarzer, ich bin ein Weißer, und die beiden Männer, die zu Carps Apartment gehen …«
    »Schwarz und weiß …«
    »Ja, und es ist fast dunkel, und er wartet auf uns, ein schwarz-weißes Männergespann. Er wusste, dass wir kommen würden, denn er hatte uns ja die Adresse genannt, und er wusste inzwischen auch, dass wir nicht von irgendeiner Regierungsinstitution kamen, weil wir auf seine E-Mail reagiert hatten. Er wusste darüber hinaus, dass wir Freunde von Bobby waren, weil wir es ihm in unserer Antwortmail mitgeteilt hatten. Er konnte sich darauf verlassen, dass wir die angegebene Adresse überprüfen würden, um herauszufinden, ob dies wirklich Carps Wohnung wäre. Es ist wie beim Angeln mit künstlichen Fliegen. Du wirfst die Angel mit der Fliege aus, lässt sie auf dem Wasser