Todesspiel
hilfsbereit.
»Er hat mir irgendeinen Dienstausweis vom Außenministerium gezeigt. Darauf stand auch ein Firmenname. Er hat die ganze Zeit was von nationaler Sicherheit gefaselt. Und dann hat sein Boss versucht, mich einzuschüchtern: ›Ich sorge dafür, dass Sie wieder auf Streife gehen‹, fährt der mich plötzlich an. Ich habe ihm gesagt, er soll mit dem Captain reden. Der Captain meinte, wir sollten Rubens auf jeden Fall verhaften.»
„Woran können Sie sich noch erinnern?“
„Nur, dass diese Typen stinksauer waren. Ich hab das überhaupt nicht kapiert. Wir kommen, um zu helfen, und die regen sich auf. Diese Arschlöcher waren mir richtig unheimlich. Als wären wir ihre Feinde.“
„Warum sind Sie überhaupt zu dem Park gefahren?“
„Ein anonymer Anruf bei der Notrufzentrale. Eine Frau hat eine Schießerei zwischen Gangs gemeldet.“
Genau das, was Rubens nach seiner Aussage der Frau aufgetragen hatte.
Christa hatte im Laufe der Jahre schon Hunderte Geständnisse gehört. Schuldbewusste und unverschämte. Sie hatte Leute erlebt, die erschöpft und beschämt den Tathergang schilderten, Psychopathen, die ihre Taten eiskalt und präzise beschrieben, Leute, die das Blaue vom Himmel herunterlogen, verzweifelt darum bemüht, als glaubwürdig zu erscheinen.
Ich weiß nicht, ob Rubens gelogen hat, aber bei Cizinio bin ich mir ziemlich sicher.
Na ja, es war ohnehin nicht mehr ihr Problem. Vielleicht hatte Walsh ja recht. Und Jared und Jim und ihre Mutter hatten ebenfalls recht. Ihr Sohn brauchte sie, ob das Problem nun von ihrem Mann verursacht worden war oder nicht. Sie nahm ihren Pullover vom Schreibtisch und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Der Regen hatte nachgelassen. Ihr Wagen stand einen Block weiter auf dem Behördenparkplatz. Während der Fahrt schaltete sie den Nachrichtensender ein, um die Verkehrsdurchsagen zu hören und zu erfahren, welche Straßen passierbar waren.
Es ging ihr schon besser.
Sie hielt sich auf der Church Street Richtung Norden. Selbst wenn es unterwegs Staus gab, konnte sie bei Sonnenaufgang in Massachusetts sein. Dann würde sie erst mal schlafen. Am Morgen würde sie Tim und Jim sehen und mit ihnen irgendwo frühstücken gehen. Sie würde mit Jim einen langen Spaziergang im Wald machen, sie würden sich aussprechen und zu einer Entscheidung gelangen, ob sie sich trennen würden oder nicht, denn diese Grauzone aus Schuldgefühlen und Vorwürfen musste ein Ende finden, dieser Zustand war unerträglich.
Im Radio liefen die Nachrichten. „Die Witwe eines der beiden US-Marshals, die vergangene Woche verschwunden sind, beharrt darauf, dass ihr Mann ehrlich war. Seine Kollegen und Mitarbeiter aus anderen Polizeiabteilungen sammeln Geld für die Familie. Marshal John Kukulkas Frau Lizzie sagte, ihr Mann habe sein Leben lang der Allgemeinheit gedient, und sie könne nur beten, dass er noch am Leben sei.“
Rubens war nicht einmal mehr die Hauptmeldung. Er war vor wenigen Stunden verhaftet worden, und die Meldung erschien nur noch an dritter Stelle. Seine Verlegung nach Washington würde gerade mal in einer Kurzmeldung gewürdigt werden, und in ein oder zwei Jahren, wenn das Urteil in seinem Fall verkündet wurde, würde es höchstens eine kurze Zusammenfassung geben. Vielleicht noch ein Foto von ihm, wie er das Gerichtsgebäude verließ, wenn er nicht ohnehin vorher nach Brasilien ausgeliefert wurde.
Sie konnte es gar nicht erwarten, Tim zu sehen.
Sie hörte die verweinte Stimme von Lizzie Kukulka im Radio: „So etwas würde mein Mann niemals tun.“
„Verdammter Mist!“, schrie Christa.
An der nächsten Ampel wendete sie.
Und fuhr zurück ins Büro.
Christa spähte in die Zelle hinein und sah Rubens neben dem Bett auf den Knien liegen und leise beten. Er hatte die Hände gefaltet. Sie wusste nichts über ihn, aber bisher hatten sich alle seine Aussagen, soweit sie überprüfbar waren, als wahr erwiesen.
„Rubens?“ In jeder Hand hielt sie einen Becher mit dampfendem Kaffee. Der Wachmann der Nachtschicht saß an seinem Schreibtisch vor der Stahlschiebetür am Ende des Gangs.
Rubens sah nicht auf. „Ich will nicht mit Ihnen reden.“
„Rubens, ich konnte es nicht verhindern. Es war nicht meine Entscheidung, ihn hereinzulassen.“
Er bedachte sie mit einem Ausdruck tiefster Verachtung.
Sie sagte: „Wenn Sie nicht mit mir reden wollen, wie soll ich dann je die Wahrheit erfahren?“
„Wie viel zahlen die Ihnen?“
Er begann wieder zu beten.
Scheißmänner,
Weitere Kostenlose Bücher