Todesspiel
ungefähr zwanzig Minuten würden seine Leute in Astoria eintreffen und sich von Haus zu Haus, von Kirchen zu Schulhöfen, von öffentlichen Schwimmbädern zu Restaurants, Bars, Parks und Läden vorarbeiten.
„Nestor-Gruppe“, meldete sich eine weibliche Stimme.
An dem langen, leeren Korridor des Hotels Warschau, wo sich die öffentlichen Telefone befanden, lagen zu beiden Seiten Konferenzräume, deren doppelflügelige Türen geschlossen waren. Auf hölzernen Staffeleien verkündeten Hinweistafeln: „Versammlung der nationalen Übersetzergesellschaft“, „Vereinigung für biologische Kosmetik“, „Seminar für kreatives Schreiben“.
Rubens schaltete den kleinen, batteriebetriebenen Kassettenrekorder ein, den er mit Hilfe eines Saugnapfs an der Hörmuschel eines Telefons befestigt hatte. Das Gerät hatte er sich in einem Elektronikladen auf der Sixth Avenue gekauft.
„Verbinden Sie mich bitte mit Jack Nestors Büro“, bat Rubens die Telefonistin.
„Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit Sie anrufen?“
„Es geht um etwas Persönliches.“
Es klickte mehrmals in der Leitung, dann meldete sich eine müde männliche Stimme. „Personalabteilung.“
„Ich wollte eigentlich mit dem Vorstandsbüro verbunden werden.“
„Um was geht es, Sir?“
„Das habe ich bereits Ihrer Kollegin erklärt. Es handelt sich um eine persönliche Angelegenheit.“
„Okay.“ Wieder klickte es in der Leitung.
Dann sagte eine Stimme: „Wachschutz.“
Rubens versuchte es ein drittes Mal. Diesmal ertönte eine automatische Ansage. „Hallo, hier spricht Vianna Cruz von der Pressestelle. Bitte hinterlassen Sie …“
Rubens legte auf.
„Es ist mein Akzent, Tommy. Ich wette, es ist mein Akzent.“
„Probieren wir es auf andere Weise.“
Tommy entfernte den Saugnapf vom Telefon.
Tommy parkte seinen Wagen an der 3 6 th Street, und von dort nahmen sie ein Taxi zur Ecke 20 th Street und Park Avenue. Es herrschte immer noch Stoßzeit, ein Begriff, den Rubens noch nie verstanden hatte, da sich der Verkehr nicht stoßweise, sondern im Schneckentempo vorwärtsbewegte. Tommy ging durch eine Drehtür voran, die in eine elegante Lobby führte. Hinter einem marmorverkleideten Empfangstresen, der den Zugang zu den Aufzügen blockierte, saßen zwei uniformierte Wachmänner. Menschen strömten zum Gebäude hinaus. Der ältere Wachmann – ein durchtrainierter Mann mit stahlgrauem Haar – lächelte erfreut, als er Tommy erkannte.
„Mister Kostos! Ich habe Sie ja lange nicht gesehen.“
Tommy trug sich ins Besucherbuch ein.
„Wie war’s beim Spiel der Yanks gegen die Twins am Wochenende, Eddie?“, fragte Tommy.
Der Wachmann setzte ein betrübtes Gesicht auf. „Nicht zu fassen, dass Jeter drei Bälle hintereinander verschossen hat.“
Außer Tommy und Rubens fuhr niemand im Aufzug nach oben. Ein kleines Fernsehgerät in der Aufzugwand übertrug Nachrichten von CNN. In der Laufschrift am unteren Rand des Bildschirms waren die Aktienkurse zu lesen.
Aus dem Aufzug trat man direkt in ein riesiges, in dunklem, poliertem Holz gehaltenes Wartezimmer. Die konservativ gekleidete Empfangsdame strahlte übers ganze Gesicht, als sie Tommy erkannte. Die Sofas waren aus Leder, und an den Wänden hingen Drucke mit historischen Ansichten von London und Porträts berühmter Anwälte.
„Mister Kostos!“
„Wie geht es Ihrer Tochter, Laticia?“
Die Empfangsdame grinste. „Sie ist ins Sommerlager gefahren. Das Haus ist ganz leer ohne sie.“
„Tja, sie machen einen verrückt, wenn sie da sind, und wenn sie weg sind, fehlen sie einem.“
„Das ist Liebe, Mister Kostos. Erwartet er sie?“
„Nein, ich möchte nur mal die Bibliothek benutzen. Gibt es vielleicht ein Zimmer, wo ich in Ruhe arbeiten kann?“
„Mister Nathan hält sich gerade in San Francisco auf. Sie können seins nehmen.“
Während sie einen mit Teppichboden ausgelegten Flur entlangeilten, vorbei an Drucken von britischen Gerichtssälen, erklärte Tommy: „Ein alter Kumpel von mir aus Harvard-Zeiten ist hier Partner. Vor zwei Jahren habe ich einem seiner Mandanten – einem griechischen Reeder – bei einem Problem mit der Greencard für seinen Sohn geholfen. Jed lässt mich die Bibliothek benutzen. Er möchte, dass ich in die Kanzlei einsteige. Nathan & Ross brauchen einen Fachmann für Einwanderungsfragen.“
Als sie das Eckbüro betraten, bot sich ihnen ein großartiger Ausblick auf die Park Avenue. An den Wänden hingen Fotos von einem
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