Todesspiel
durchtrainierten, rotgesichtigen Mann in Tommys Alter auf einer Jacht beim Tiefseeangeln mit einem New Yorker Senator.
„Wenn wir von hier aus anrufen, erscheint auf dem Display kein öffentliches Telefon aus irgendeinem Hotel, sondern eine Anwaltskanzlei an der Park Avenue. Wollen wir wetten, dass wir zu seiner Sekretärin durchkommen?“
Rubens erläuterte Tommy, was er zu sagen beabsichtigte, und Tommy erklärte ihm, wie er sich am besten ausdrückte. „Lass mich zuerst reden. Mach die Tür zu und klemm den Rekorder an den Hörer. Nimm den Nebenapparat und hör mit.“
„Nestor-Gruppe!“
In einem Ton, den Rubens noch nie bei ihm gehört hatte, sagte Tommy knapp: „Jack Nestor bitte.“
„Einen Augenblick bitte.“
Tommy zwinkerte Rubens zu.
„Vorstandsbüro“, sagte eine Frau mit britischem Akzent.
„Mister Villas Boas möchte Jack Nestor sprechen“, sagte Tommy. So hieß der Eisverkäufer in der Ditmars Avenue.
Dann übergab Tommy den Hörer grinsend an Rubens und nickte ihm aufmunternd zu.
„Mein Name ist Ricardo Villas Boas“, sagte Rubens der Sekretärin. „Ich bin Journalist und schreibe für die Zeitschrift Vieja in Rio. Ich recherchiere für eine Artikelserie, die ich in enger Zusammenarbeit mit Mister John Adams Evans begonnen habe.“
Rubens hörte einen leichten Seufzer am anderen Ende der Leitung. Die Sekretärin hatte offenbar mit einem Anwalt gerechnet. Aber sie fasste sich schnell und sagte mitfühlend: „Wir waren alle schockiert, als wir von dem Mord an Mister Evans gehört haben. Er war immer so nett, wenn er hierherkam.“
Sie kennen ihn also, dachte Rubens frohlockend.
„Mister Evans hat mir einige Unterlagen überlassen – unter anderem Fotos –, die der Vorstandsvorsitzende sich möglichst bald ansehen sollte.“
„Wollen Sie sie mir per Boten zukommen lassen?“
„Ich möchte lieber mit dem Vorsitzenden persönlich sprechen, um ihm einiges zu erklären“, entgegnete Rubens, von Tommy gut instruiert.
„Nun, der Vorsitzende ist bereits nach Hause gegangen. Sagen Sie mir doch, um was es sich handelt. Ich kann es ihm dann ausrichten.“
„Glauben Sie mir, er würde unbedingt mit mir persönlich sprechen wollen.“
Freundlich, aber bestimmt, erwiderte sie: „Er hat mich ausdrücklich angewiesen, Mister Villas Boas, dass er nicht gestört werden möchte.“
„Das gilt sicher nicht für einen Notfall. Ich schlage vor, Sie rufen ihn jetzt sofort an, egal, wo er ist, und stellen mich durch. Sagen Sie ihm“, fügte Rubens etwas schroffer hinzu, „wenn er nicht bereit ist, mit mir zu sprechen, werde ich die Unterlagen meinem Verleger übergeben. Sagen Sie Mister Nestor, es geht um Radar und den Gouverneur.“
Rubens hielt den Atem an. Die Frau sagte nichts. Womöglich wusste sie nicht, um was es ging, aber sie war klug genug, Rubens’ Drohung ernst zu nehmen. Nach kurzem Zögern erwiderte sie steif: „Ich werde mal sehen, ob ich den Vorsitzenden erreichen kann.“
Falls es gar keine Verbindung gab, falls er sich irrte, falls der Bluff aufflog oder falls Jack Nestor nicht persönlich in die Sache verwickelt war, wäre das Telefongespräch beendet, aber noch nichts verloren. Er hörte mehrfaches Klicken in der Leitung. Rubens war wie elektrisiert, als ein Mann freundlich sagte: „Hier spricht Jack Nestor.“
„Honor hat Ihnen in Brasilien den Arsch gerettet“, wiederholte Rubens Evans’ Worte, die er im Wandschrank versteckt gehört hatte.
„Sie sind Mister Villas Boas?“
„Diese Tricks im 47. Stock haben nicht funktioniert. Und Sie haben nicht alle Unterlagen von Evans erhalten.“
„Welche Unterlagen meinen Sie, Sir?“
„Das wissen Sie genau. Der ermordete Gouverneur. Das Radarsystem.“
„Ich verstehe wirklich nicht, wovon Sie -“
Rubens fiel ihm ins Wort. „Ich glaube, jeder Nachrichtensender der Welt würde die Fotos von vorgetäuschten Kampfhandlungen im Dschungel gern bringen. Das ist eine Riesenstory. Das FBI hätte seine helle Freude daran.“
Schweigen. Er war zu weit gegangen. Nestor hatte nichts mit der Sache zu tun. Oder er würde auflegen. Rubens hatte versagt. Aber dann hörte er, wie Nestor den Atem anhielt, ein vertrautes Geräusch, das er mit Genugtuung registrierte. Es war wie das Einschnappen einer Fußfalle im Wald. Diese Anspannung hatte er Hunderte von Malen in Verhörzimmern gehört. Eine Pause. Ein Hüsteln. Ein Räuspern.
Aber anstatt einzuknicken, sagte Nestor nur: „Hallo? Sind Sie noch dran? Ich kann Sie
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