Todesspiele
wahrscheinlich will sie etwas gutmachen. Nun, mir wäre lieber gewesen, wenn sie das mit der Krankenschwester getan hätte, aber darum kümmere ich mich, wenn Rocky wieder hier ist.«
»Das heißt, ich drehe um und fahre nach Hause?«
»Ja, dreh um, aber fahr noch nicht nach Hause. Ich habe noch eine Sache zu erledigen.«
Paul seufzte. »Bobby, ich bin müde.«
»Jammer nicht. Morgen früh muss eine Leiche gefunden werden.«
»Jemand, den ich kenne?«, fragte Paul trocken. »Die Schwester der Krankenschwester. Es soll nach Raubüberfall aussehen, aber sie muss gefunden werden. Ich habe dir die Adresse und das Foto schon auf deinen Hot-mail-Account geschickt. Sie müsste so gegen acht ihr Haus verlassen, aber sei besser schon früher da. Und es darf schmerzhaft sein.«
»Oho, Bobby zieht die Samthandschuhe aus.« »Aber ja. Ich halte meine Versprechen schließlich immer. Die Krankenschwester wird morgen sehr viel williger gehorchen. Und - wie macht sich Rocky mit der Blondine?«
»Nicht schlecht. Das Mädel hat sich ein bisschen gewehrt, aber unser weiblicher Wunderknabe war drauf vorbereitet. Scheint sie niedergeschlagen zu haben. Sie hat einen klasse rechten Haken, das muss man ihr lassen. Den Spitznamen Rocky trägt sie zu Recht.«
Bobby lachte. »Wenn auch nicht aus diesem Grund. Danke, Paul. Ich sorge dafür, dass du für heute Abend anständig bezahlt wirst.«
»Ist mir ein Vergnügen, Bobby.«
»Schick mir eine SMS, wenn die Schwester tot ist. Ich will der Krankenpflegerin eine Sondersendung zukommen lassen.«
Atlanta,
Samstag, 3. Februar, 4.30 Uhr
Lukes Bruder Leo hielt vor dem eingezäunten GBI-Parkplatz. »Wir sind da.«
Luke öffnete die Augen und fühlte sich durch die kurze Ruhezeit angenehm erfrischt. Er reichte Leo seine Karte, der sie durchs geöffnete Fenster in den Leseapparat steckte. Leise glitt das Tor aufwärts. »Danke, dass du mich zu meinem Wagen gefahren hast.«
Leo zuckte mit den Schultern. »Ich hatte gerade nichts vor.«
Luke grunzte, als er sich aufrichtete und die Nackenmuskeln dehnte. »Das ist traurig.«
»Findest du?« Leo musterte ihn besorgt. »Alles okay mit dir?«
»So weit wenigstens.« Er würde seinen Bruder nicht anlügen. Er hätte es gar nicht gekonnt.
»Na ja, wenigstens stinkst du nicht mehr wie ein Hund, der sich in verwestem Fisch gewälzt hat.« »Genau, und das weiß ich zu schätzen. Das Frühstück auch.« Luke war nicht überrascht gewesen, als Leo sich förmlich aus den Schatten materialisiert hatte, sobald Luke seine Wohnung betreten hatte. Leo hatte Chases Pressekonferenz gesehen und gewusst, dass Luke irgendwann müde und ausgehungert nach Hause kommen würde. Leo schien immer zu wissen, was andere brauchten. Dumm nur, dass sein Bruder sich nicht genauso gut um sich selbst kümmern wollte.
»Du hast noch Glück gehabt. Diese zwei Eier waren das Einzige in deinem Kühlschrank, das noch genießbar war.«
»Ich war eben schon länger nicht mehr einkaufen.« Nicht mehr, seit seine Abteilung für Internetverbrechen die Spur der drei Kinder aufgenommen hatte, die sie dann doch nicht mehr hatten retten können. Das war am Dienstag gewesen. »Die Milch ist wahrscheinlich auch nicht mehr gut.«
»Stimmt, sie war fest. Ich komme nachher vorbei und bringe dir Brot und Milch mit, wenn ich deinen Anzug zu Johnny bringe. Er wird deine Kleidung auch diesmal retten.«
Dass ihr Vetter Johnny eine eigene Reinigung hatte, war sowohl Segen als auch Fluch. »Sag ihm, er soll mit meinem Hemd freundlich umgehen, okay? Das letzte war derart gestärkt, dass es meine Haut wund gescheuert hat.« Leo grinste. »Das hat er mit Absicht gemacht.« »Ja, weiß ich.« Er musste aussteigen, aber sein Körper wollte nicht gehorchen. »Ich bin so müde, Leo.« »Ich kann's mir denken«, erwiderte Leo ruhig, und Luke wusste, dass sein Bruder wirklich verstand, was er meinte. Es handelte sich nicht nur um rein körperliche Müdigkeit.
»Diese Mädchen können überall sein. Und Gott allein weiß, was man mit ihnen gemacht hat.«
»Hör schon auf«, sagte Leo barsch. »Du kannst dir nicht erlauben, jedes Mal an Stacie und Min zu denken, also lass es.«
In der Tat hatte Luke gerade die Bilder seiner hübschen, lächelnden Nichten vor Augen gehabt. Resolut verdrängte er sie aus seinem Bewusstsein. »Ich weiß, ich weiß. Das zieht mich nur weiter runter. Es ist ja nur so, dass ...« »Du ein Mensch bist«, beendete Leo den Satz für ihn. »Du siehst ihre Gesichter. Und
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