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Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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haselnussbraunes Haar wird von einer türkis schillernden Spange zusammengehalten. Sie trägt Designerjeans, schätzungsweise Größe 36 , und eine dicke Strickjacke aus sandfarbenem Kaschmir. Eine aparte Frau, die sich zu disziplinieren versteht und bestimmt viel Zeit in den Kampf gegen Falten und Fettpolster investiert.
    Ralf Döhring nickt: »Ich habe ihn zum Rugby gefahren, seine Mannschaft hatte ein Heimspiel. Auf dem Platz in der Eilenriede, gleich neben der alten Bult. Das war so gegen drei Uhr. Meine Frau und ich haben das Haus gegen neunzehn Uhr verlassen, da war er noch nicht zurück. Sie sitzen oft nach dem Spiel noch zusammen.«
    »Wann sind Sie beide wieder nach Hause gekommen?«
    »Spät, um Mitternacht. Wir waren mit unserem Nachbarn im GOP und vorher noch beim Essen.«
    Das GOP ist eine alteingesessene Varietébühne gegenüber der Oper. Oda ist schon seit Jahren nicht mehr dort gewesen.
    »Wir haben angenommen, dass Olaf schon im Bett ist, und haben nicht in sein Zimmer gesehen, er ist ja kein kleines Kind mehr.« Herr Döhring klingt, als wolle er sich für sein Versäumnis rechtfertigen.
    »Das mache ich bei meiner Tochter auch nicht mehr, seit sie über sechzehn ist«, bemerkt Oda. Ein starres Lächeln von Olafs Mutter signalisiert ihr, dass es gut war, ihre Mutterschaft zu erwähnen.
    »Und als ich ihn heute Morgen zur Schule wecken wollte, da war er nicht da«, würgt Constanze Döhring mühsam hervor. »Ruben wusste auch nichts.«
    »Ist Ruben sein Bruder?«
    »Ja. Er ist neunzehn.«
    »Wer lebt sonst noch im Haushalt?«
    »Ruben kommt noch manchmal, er hat aber seit September ein Zimmer in einer Studenten- WG in der Nordstadt. Er war gestern noch da, als wir gegangen sind. Und dann ist da noch meine Mutter, aber sie hat ihre eigene Wohnung im Parterre.«
    »Haben Sie schon mit Freunden von Olaf gesprochen?« Oda kommt sich bei dieser Frage mies und scheinheilig vor. Denn gerade eben, als sie in Frau Cebullas Büro ein Glas Wasser für Frau Döhring holte, hat sie mit Völxen telefoniert. Es wäre schon ein verdammt großer Zufall, wenn es sich bei dem Toten am Bahndamm nicht um Olaf Döhring handelte, schließlich werden in dieser Stadt nicht jeden Tag ermordete Jugendliche aufgefunden. Aber Oda hat schon oft genug erlebt, dass man nach der Überbringung der Todesnachricht erst einmal eine ganze Weile kein vernünftiges Wort mehr mit den Angehörigen reden kann. Also hält sie noch mit der Wahrheit hinterm Berg, verzichtet aber auf die sonst üblichen Fragen, ob es vor dem Verschwinden Streit gegeben hat und ob der Jugendliche vorher schon einmal abgehauen ist.
    »Ja, natürlich«, antwortet der Vater. »Wir haben zuerst bei Tiefenbachs angerufen, unseren Nachbarn. Ihr Sohn Luis und Olaf sind befreundet, die beiden gehen beim anderen quasi aus und ein, doch da war er nicht. Danach haben wir seine anderen Freunde angerufen. Aber keiner hat ihn seit gestern gesehen, und er ist auch nicht in der Schule aufgetaucht, jedenfalls bis jetzt nicht.«
    Oda drängt sich die Frage auf, ob sie selbst im Fall von Veronikas Verschwinden wüsste, wen sie anrufen könnte. Bis auf ein paar langjährige Klassenkameraden kennt sie von den meisten Freunden ihrer Tochter kaum Vornamen und Spitznamen, geschweige denn deren Telefonnummern. Sie schiebt den Gedanken beiseite und konzentriert sich wieder auf die Döhrings.
    »Er hat heute … er hätte heute eine Mathearbeit geschrieben«, fällt der Mutter ein.
    »Olaf ist ein guter Schüler und sehr ehrgeizig«, ergänzt der Vater. »Er würde keine Arbeit schwänzen.«
    Frau Döhring unterdrückt ein Schluchzen. Ihre linke Hand zerknüllt ein Papiertaschentuch, die rechte krallt sich um eine Prada-Tasche. Etwas in ihrem Gesicht irritiert Oda. Obwohl die Augen der Frau in Tränen schwimmen und ihre Mundwinkel unkontrolliert zucken, sind ihre Augenpartie und die Stirn glatt wie eine Eisfläche. Was man mit Botox doch für ungewollt tragikomische Effekte erzielen kann, denkt Oda, während Ralf Döhring erklärt: »Seine Freunde sagten, er wäre gestern Abend nach dem Rugbyspiel noch mit ihnen im Klubhaus neben dem Sportplatz gewesen.«
    »Ist er von dort aus alleine nach Hause gegangen?«
    Beide sehen sich fragend an, und Frau Döhring meint mit erregter Stimme: »Das wissen wir nicht. Aber er kann doch nicht auf den paar Metern vom Sportplatz bis zu uns … Wir wohnen doch in einer sicheren Gegend!«
    Damit hat sie vermutlich recht. Waldhausen, ein Stadtteil mit einem

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