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Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Wächters blonde Locken den Mädchen auch ganz gut. Seine Kleidung – Jeans, Kapuzensweatshirt – ist jedoch unauffälliger und seine Gesichtszüge sind nicht ganz so klassisch-edel geschnitten wie die von Cornelius.
    »Und wer bist du?«, fragt Jule den kräftigen Jungen, der ihr gegenübersitzt. Sein rechtes Auge wird von einem frischen Hämatom umrahmt. »Valentin Franke. Ich bin sechzehn und gehe in die naturwissenschaftliche Klasse. Ich spiele auch in Olafs Mannschaft.«
    »Auch gestern?«
    »Ja, klar.«
    »Habt ihr gewonnen?«, fragt Fernando dazwischen.
    »Ja. Wer nicht Döhren will, muss fühlen«, grinst der Gefragte, wird aber nach einem Puff von Cornelius Seiferts Ellbogen gleich wieder ernst. »Tschuldigung. Das ist der Slogan unseres Vereins«, erklärt Valentin.
    »Schon gut. Wie lange warst du im Klubheim?«, erkundigt sich Jule.
    »Bis neun. Carlo, Florian und ich waren die Letzten.«
    »Wo wohnst du?«
    »In der Wolfstraße in Waldheim. Florian wohnt in der Ottostraße, wir sind zusammen nach Hause gegangen.«
    Waldheim, das vom benachbarten Waldhausen durch eine Bahnlinie getrennt wird, kommt etwas bescheidener daher als Waldhausen, ist aber ebenfalls ein sehr gutbürgerlicher Stadtteil, weiß Jule.
    Fernando erkundigt sich, ob das blaue Auge vom gestrigen Spiel stammt, was Valentin Franke stolz bejaht. Dann ist die Reihe an dem vierten Jungen, der den Blick bisher fast nur auf seine verknoteten Finger gerichtet hielt. Er wirkt im Vergleich mit den anderen dreien noch sehr kindlich.
    »Luis Tiefenbach, ich bin vierzehn und gehe in die achte Klasse.«
    »Spielst du auch Rugby?« Fernando wirft einen verstohlenen Blick auf den Oberkörper des Schülers, aber es sieht nicht so aus, als würden sich unter seinem Sweatshirt Muskelpakete verstecken.
    »Nein.«
    »Ging Ruben Döhring, Olafs Bruder, auch auf diese Schule?«, fragt Jule in die Runde.
    Cornelius antwortet: »Der hat dieses Frühjahr Abi gemacht.«
    »Zur Freude aller Lehrer.« Die Aussage kommt von Fiona Kück, deren Tränen inzwischen versiegt sind. Fiona, die nach eigenen Angaben fünfzehn ist, trägt ein ultrakurzes graues Strickkleid über einer schwarzen Strumpfhose, die nicht ganz blickdicht ist. Das lässig übergeschlagene rechte Bein, das in einer hochhackigen Stiefelette steckt, gewährt tiefe Einblicke, die erst an einer pinkfarbenen Unterhose enden. Auch der BH ist in dieser Farbe gehalten, was der weit über die Schultern abgerutschte Ausschnitt des Kleides offenbart. An den Ohren des Mädchens hängen Kreolen, durch die man einen Tiger springen lassen könnte. Obwohl Fiona offensichtlich kein Problem mit Pickeln hat, ist ihr Gesicht stark geschminkt, die Wimpern sind aufgebogen und erscheinen sehr dicht und lang. Das Mädchen muss schon morgens eine Ewigkeit vor dem Spiegel verbringen – und das nur für den Schulbesuch. Jule mag sich gar nicht vorstellen, wie Fiona aussieht, wenn sie sich fürs Clubbing aufbrezelt.
    »Wie meinst du das? Was freut die Lehrer?«, hakt die Kommissarin nach.
    »Ach, nichts«, meint die Gefragte und betrachtet ihre Fingernägel. Sie sind eckig gefeilt und rosa lackiert.
    Jule bleibt beharrlich. »Was war mit Olafs Bruder?«
    »Er hat halt ab und zu Scheiße gebaut«, verrät Fiona schließlich und wirft mit beiden Händen ihr wallendes Blondhaar über die Schultern zurück.
    »Was denn zum Beispiel?«, wendet sich Fernando an die Allgemeinheit.
    Die Jugendlichen sehen sich an. Schließlich antwortet Cornelius Seifert: »Scheiße eben, nichts Schlimmes: Kiffen aufm Klo, Graffiti am Schulgebäude, Schule schwänzen … Vor zwei Jahren hat er einem in der Pause einen Zahn rausgeschlagen. Aber der andere hatte angefangen.«
    So etwas hat Fernando wahrscheinlich jeden Tag noch vor der großen Pause gemacht, vermutet Jule, und tatsächlich ist Fernando anzusehen, dass ihn Rubens Sündenregister wenig beeindruckt. Sie fragt Luis Tiefenbach: »War Olaf nur dein Nachbar oder auch dein Freund?«
    Luis streicht sich verlegen eine dunkle Haarsträhne aus dem schmalen Gesicht. »Weiß nicht … Wir kennen uns schon ewig, weil die neben uns wohnen.« Fast klingt es, als wolle sich Luis für den Umgang mit Olaf und dessen Familie entschuldigen, fällt Jule auf. Aber vielleicht hat der Vierzehnjährige auch nur Angst, vor den drei älteren Jungs etwas Unpassendes, zu Emotionales zu sagen. Er ist ja mittendrin in dem Alter, in dem einem schon die schiere Existenz peinlich ist.
    »Hast du Olaf gestern Abend

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