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Todesspur

Todesspur

Titel: Todesspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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ordentlicher Rotlichtbezirk, keine Partymeile, so wie jetzt. Sie kennen sicher das Heartbreakhotel und das Eve – das waren früher alles Puffs.« Sie seufzt. »Das waren wilde Zeiten damals, Russen, Kurden, Albaner und Jugoslawen haben sich bekriegt. Glücksspiel, Drogen, Frauenhandel – da waren viele Millionen zu holen, und darum haben die sich geprügelt und gegenseitig abgestochen. Die Bordellbesitzer bekamen plötzlich von allen Seiten Drohungen und Schutzgeldforderungen. In einem Jahr, ich glaube es war ’ 96 , gab’s mal drei Morde aufm Kiez, man war seines Lebens nicht mehr sicher. Dann ist der Frank Hanebuth mit einer Handvoll anderer Bordellbesitzer den Bones beigetreten – kennen Sie die überhaupt noch, junger Mann?« Sie sieht Fernando herausfordernd an. Der nickt.
    »Klar kenn ich die Bones . Die Knochenhand auf dem Handschuh. Ich fahre auch Motorrad«, wirft sich Fernando in die Brust.
    »Die Bones waren die größte Motorradgang Deutschlands«, erklärt Stella. »Schwere Jungs mit schweren Maschinen. Niko hat das damals verpennt, der hatte nichts mit Motorrädern am Hut. ›Was soll ich bei den Bones , das ist mir zu albern‹, hat er immer gesagt. ’ 95 war das, ich erinnere mich noch gut, da lernten wir uns gerade kennen. Niko war Türsteher und Rausschmeißer. Aber nach und nach wurden diese Posten von GAB -Security ersetzt, also von Frankies Leuten. Niko, dieser Döspaddel, hat viel zu spät erkannt, dass es nicht nur um Motorräder ging. Wer weiß, sonst wäre er jetzt vielleicht auch ’ne große Nummer aufm Kiez.« Sie zündet sich eine Zigarette an. Für einen Moment scheint sie ihren aktuellen Kummer vergessen zu haben. Ihr Gesichtsausdruck wird lebhaft, als sie nun erzählt: »Wenn sich die Bones im Kiez getroffen haben, dann kamen über zweihundert von diesen Kerlen auf schwarzen Bikes angedonnert. Angst und Bange konnte es einem da werden. Aber es hatte auch was! Dem ganzen anderen Gesocks war sofort klar, wer hier das Sagen hat. Man hat sich unblutig geeinigt, das muss man Frankie lassen, das hat er irgendwie hingekriegt. Euer Verein …«, ihr spitzes Kinn zeigt auf Fernando, »… war damals auch dabei. ›Präsenz zeigen‹, nannte euer damaliger Chef das. Wochenlang sind Bullen mit Maschinenpistolen durch den Kiez gelaufen, ich weiß es noch wie heute. Das war gar nicht gut fürs Geschäft. Aber immerhin, die Bullen und die Rockerbande haben gemeinsam aufgeräumt, und die Journaille hat’s gefeiert – alle, nicht nur die BILD . ›Endlich Schluss mit den Bandenkriegen!‹, haben sie geschrieben, und der Hanebuth war ihr Held. So was mag ja die Presse.«
    Ein weiteres Glas Wodka spült noch mehr Erinnerungen hervor.
    »Aber Niko war endgültig raus aus dem Geschäft. Aus der Traum vom eigenen Bordell am Steintor, mit mir als Hausdame – damit hat er mir nämlich immer die Ohren vollgesülzt, um mich rumzukriegen, aber das konnte er sich abschminken. Die Bordellbesitzer, die bei den Bones waren, haben ihre Mädchen untereinander ausgetauscht, immer wieder kam frische Ware aus Hamburg oder Bremen. Das hat den Freiern natürlich gefallen, und die Puffs haben ein Heidengeld gemacht und die Konkurrenz nach und nach aufgekauft. – Hau ab, du Biest!« Die graue Katze ist hereingekommen und reibt sich an ihren Beinen. Die Abgewiesene versucht es bei Jule, die das Tier zögernd streichelt.
    »Und ’ 99 war der Zug dann total abgefahren. Da wechselten Frankie und seine Gang von den Bones zu den Hells Angels . Das war der Einstieg ins internationale Geschäft. Ein Jahr später eröffnete der erste Klub am Steintor. Plötzlich wimmelte es aufm Kiez vor Nutten aus Brasilien, Thailand, Venezuela, den Philippinen und weiß der Teufel, was noch. Etliche von denen waren Illegale, arme Dinger, denen man die Pässe abgenommen hatte. Von da an hat Niko keinen Fuß mehr auf den Boden gekriegt. Er konnte froh sein um seinen Job als Wirtschafter und hat brav die Schnauze gehalten. Es gab übrigens damals schon Sexpartys extra für VW -Manager. Das kam erst Jahre später alles raus. Aber glauben Sie ja nicht, wir einheimische Huren hätten viel davon gehabt. Ich jedenfalls nicht. Für mein Geschäft war dieser Rummel gar nicht gut, ich bin ausgewichen auf die Herschelstraße. Straßenstrich, eine Scheiße ist das.« Sie nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und bläst den Rauch aus, wie man es sonst nur in alten französischen Filmen sieht. Dann spricht sie weiter: »Im November gab es dann

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