Todesspur
Marvin Mencken.
»Ja? Wer ist da?« näselte Menckens unverwechselbare Stimme.
»Ich bin’s. Sie hatten Auftrag, einen Konkurrenten zu überprüfen.«
Er bezog sich auf Tweed, hütete sich aber, irgendwelche Namen zu nennen.
»Wir wissen, wo er sich jetzt aufhält«, erklärte Mencken.
»Und?«
»Nun, alles ist arrangiert«, sagte Mencken gereizt.
»Sie holen ihn ab und eskortieren ihn zu der Versammlung?«
Das Wort Eskortieren stand, für Umbringen.
»Es ist alles arrangiert für den Moment, in dem er seine Nase auf die Nebenstraße heraussteckt. Machen Sie sich wegen des Konkurrenten keine Sorgen. Er wird kooperieren.
Womit das Problem aus der Welt wäre.«
»Sorgen Sie dafür, daß nichts schiefgeht. Ende …«
Norton knallte den Hörer auf die Gabel, dann kehrte er zu seinem Wagen zurück. Allmählich kam alles zusammen.
Amberg war nach Basel geflogen – also mußten sich auch der Film und das Tonband in der Filiale der Zürcher Kreditbank in dieser Stadt befinden.
Er selbst würde am Abend nach Basel fliegen, und zwar mit Flug SR 980, der 19.15 Uhr in Zürich startete und 19.45 Uhr in Basel landen sollte. Sheen würde die Nachricht in seiner Wohnung vorfinden, zusammen mit dem Ticket für denselben Flug und der Anweisung, nach der Ankunft in Basel mit einem Taxi zum Hotel Drei Könige zu fahren. Norton würde — unter einem anderen Namen – gleichfalls in diesem Hotel wohnen.
Früher am Tage hatte er Mencken telefonisch den Befehl erteilt, ein Team von Männern anzuführen, das gleichfalls nach Basel flog. Sie würden im Hilton absteigen. Während er darauf wartete, daß Sheen wieder herauskam – inzwischen war ein weiteres Taxi vor dem Wohnblock erschienen –, warf Norton einen Blick auf den BMW. Er zweifelte nicht daran, daß der Schweizer, der darin saß, Sheen nach Basel folgen würde. Dort würde er, Norton, sich persönlich um den lästigen Beschatter kümmern.
Ja, alles kam zusammen. Und binnen einer Stunde würde Tweed, der sich immer mehr als potentielle Bedrohung erwies, tot sein. Norton spürte, wie bei der Aussicht auf diese Aktion das Adrenalin in ihm aufwallte.
»Sind Sie jemals Eve Amberg begegnet?« fragte Tweed auf der Suche nach einem entscheidenden Bindeglied zwischen Cornwall und Zürich.
»Ich bin ziemlich sicher, daß ich diese Frau in Padstow gesehen habe«, erinnerte sich Jennie und nippte an ihrem dritten Glas Champagner.
»Ich wußte gar nicht, daß Sie sie kennen. Wie haben Sie sie erkannt?« fragte Tweed.
»Als Gaunt neulich die Villa verließ – nicht an dem Tag, an dem Sie sie besucht haben –, habe ich sie ganz deutlich gesehen, als sie sich an der Haustür von Gaunt verabschiedete.«
»Aber das war doch, nachdem Sie sie in Padstow gesehen hatten?«
»Das stimmt. Ich habe ein fotografisches Gedächtnis für Gesichter.«
»Und wann haben Sie Eve Amberg in Padstow gesehen?
Ich nehme an, Sie wissen nicht mehr, an welchem Tag das war?« »Doch. Es war an dem Tag, an dem ihr Mann in Tresilian S Manor eintraf, unmittelbar vor diesem grauenhaften Massaker. Ich war am Vormittag mit Gaunt zusammen. Wir nahmen einen schnellen Drink im Old Custom House. Er ging hinaus, um einen Blick auf sein dämliches Boot zu werfen. Nachdem ich ausgetrunken hatte, folgte ich ihm.
Ich sah Eve, als sie sich eilig vom South Quai entfernte.«
»Und Sie sind ganz sicher, daß es Eve Amberg war?«
»Zuerst war ich ziemlich sicher, daß sie es war. Aber jetzt bin ich verdammt sicher, daß es diese Frau war. Verdammt sicher.«
Tweed fragte sich, weshalb ihm der Gedanke kam, daß sie lügen könnte. War es der zweimal verwendete Ausdruck »diese Frau«? Außerdem – wenn es zutraf, was sie gesagt hatte, dann war auch Jennie um diese Zeit in Padstow gewesen.
»Ich muß jetzt gehen«, sagte sie. »Zu einer Party.« Sie hatte auf die Uhr gesehen. »Es war nett, mit Ihnen zu plaudern.
Lassen Sie es uns demnächst wieder tun …«
Er half ihr in den lila Mantel. Sie nahm das Tuch, das unter dem Mantel gelegen hatte, in die Hand. Als sie auf die Tür zugingen, war Cardon bereits aufgestanden und nach draußen verschwunden. Tweed machte die Tür auf und ließ Jennie den Vortritt. Als er neben sie trat, ließ sie ihr Tuch fallen, und die eiskalte Nachtluft schlug ihnen entgegen.
Ein am oberen Ende der Straße geparkter cremefarbener Mercedes begann, auf sie zuzurollen. Eines der hinteren Fenster war offen. Der Lauf einer Waffe ragte heraus. Cardon, der dicht an der Mauer stand,
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