Todesspur
Crescent – die ist, daß jemand versucht, den SIS zu vernichten? Wer könnte das wollen?«
»Ich wünschte bei Gott, ich wüßte es«, sagte sie inbrünstig. »Aber ich habe keine Ahnung.«
»Ich verstehe.« Er hörte sich an, als glaubte er ihr nicht.
»Und Sie sind die einzige Person, die den Mann gesehen hat, der hier dieses abscheuliche Verbrechen begangen hat. Den falschen Postboten. Wenn Sie nur sein Gesicht gesehen hätten!«
»Dazu war er zu weit entfernt. Ich wußte – ich dachte –, es wäre der Postbote, wegen seiner blauen Uniform. Und ich sah sein Abzeichen, das in der Sonne aufblitzte, wie ich Ihnen bereits sagte. Und den Sack, der auf seinem vorderen Gepäckträger lag.«
»Der zweifellos die Maschinenpistole enthielt, die er dann benutzte. Es fällt mir schwer zu glauben, daß Sie, als Sie in der Toilette waren, die Schüsse nicht gehört haben.«
»Es ist eine massive Tür. Auch die Tür zum Eßzimmer ist sehr massiv, sofern er sie zugemacht hat.«
»Können wir ein Experiment machen?«
Buchanan begleitete sie aus dem Arbeitszimmer, gab einem seiner mit einer Automatik bewaffneten Detektive Anweisungen, wies alle Anwesenden darauf hin, was passieren würde. Dann begleitete er Paula zu der großen Toilette und schloß die Tür. Paula ließ sich auf dem heruntergeklappten Eichendeckel der Toilette nieder.
»Wenn schon, dann richtig.«
Sie hatte ihm verschwiegen, daß sie sich hatte übergeben müssen, und jetzt hatte sie die Genugtuung, daß Buchanan zum ersten Mal verlegen wirkte. Sie Warteten. Wenig später wurde an die Tür geklopft. Buchanan öffnete sie.
»Was ist, Selsdon?«
»Ich habe es gerade getan, Sir. Habe sechs Schüsse durch das Fenster des Eßzimmers abgefeuert. Die Tür zur Diele hin stand offen.«
»Danke. Gehen Sie und tun Sie etwas Sinnvolles.«
»Ich habe nicht das geringste gehört«, sagte Paula, als sie in die Diele zurückkehrten.
»Ich muß zugeben, daß ich auch nichts gehört habe …«
Buchanans Unterredung mit Tweed – die noch länger dauerte lieferte ihm keine neuen Informationen, was ihn frustrierte; er machte keinen Hehl daraus. »Das alles ist wenig überzeugend und unbefriedigend.«
»Für ersteres ist Ihr argwöhnischer Verstand verantwortlich, und was das zweite angeht, stimme ich mit Ihnen überein. Ich habe all Ihre Fragen beantwortet.«
Was stimmte. Aber Tweed hatte bestimmte Dinge ausgelassen.
Kein Hinweis auf Joel Dysons Besuch am Park Crescent.
Kein Hinweis auf einen Videofilm.
Kein Hinweis auf ein Tonband, das zusammen mit dem Film im Safe lagerte, einem Safe, der jetzt unter Bergen von Trümmern vergraben lag. Buchanan, allein mit Tweed im Arbeitszimmer, lehnte sich an einen Tisch und klimperte mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche.
»Es kann sein, daß ich noch einmal mit Ihnen sprechen muß.« Sein Verhalten war beiläufig, und Tweed, der Buchanans Taktik, einen Zeugen am Ende des Verhörs aus der Fassung zu bringen, kannte, wappnete sich gegen das Unvermutete. »Übrigens«, fuhr Buchanan fort, »weiß inzwischen das ganze Land, daß Sie hier sind.«
»Woher wissen die Leute das?«
»Ihre Anwesenheit hier ist mit dem Massaker in Verbindung gebracht worden. In einer Eilmeldung in einer Londoner Abendzeitung. Auch im Radio und in den Fernsehnachrichten wurde darüber berichtet. Sie wurden namentlich genannt Tweed, stellvertretender Direktor des SIS, etcetera.« »Ich verstehe immer noch nicht«, erklärte Tweed.
»Ich habe es auch nicht verstanden, deshalb habe ich, bevor ich hierher flog, die Zeitung und die Nachrichtenredakteure von BBC und ITV angerufen. Alle haben mir dasselbe berichtet. Ein anonymer Anrufer hat sich bei allen dreien gemeldet und ihnen geraten, sich mit der Polizei von Exeter in Verbindung zu setzen. Bei der Berichterstattung über das Massaker haben sich alle Medien mit einer vorsichtigen Formulierung begnügt: Einem Gerücht zufolge wurden in Tresilian Manor acht Personen erschossen. Dann wurde über Ihre vermutliche Anwesenheit hier berichtet.«
»Das gefällt mir ganz und gar nicht. Darüber konnte nur der Mörder Bescheid wissen. Aber weshalb sollte er das Verbrechen bekanntgeben?«
»Das würde ich gern von Ihnen hören«, sagte Buchanan, wieder völlig frustriert. »Kehren Sie nach London zurück?«
fuhr er fort. »Von wo aus werden Sie nun operieren?«
»Sie können versuchen, mich in meiner Wohnung in der Walpole Street zu erreichen. Was Ihre zweite Frage angeht, so liegt die Entscheidung bei
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