Todesspur
daß ich zwei Jahre lang seine Art zu leben ertragen habe, steht mir einiges zu.«
»Seine Art zu leben?« sondierte Tweed.
»Manche Bankiers haben ihre Freundinnen in anderen Städten – sie sind diskret. Aber nicht Julius. Er besuchte ein teures Callgirl direkt vor der eigenen Haustür. Sie hat eine Wohnung am Rennweg, mitten in Zürich.«
»Wissen Sie, wie sie heißt?«
»Ja. Ich habe ihn von einem Detektiv beschatten lassen.
Sie heißt Helen Frey. Rennweg 590. Eine Wohnung im ersten Stock. Entschieden zu nahe, als daß ich es gelassen hinnehmen könnte.« Ihre Miene verdüsterte sich. »Aber ich finde es trotzdem grauenhaft, wie er gestorben ist. Und verdammt unheimlich außerdem.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo das Vermögen herkommen sollte, von dem er sprach?«
»Nein, im Grunde nicht. Er hat erfolgreich und in großem Maßstab mit dem Kauf und Verkauf von ausländischen Währungen gearbeitet. Das könnte es sein – aber ich hatte eher den Eindruck, daß es sich um ein neues und einmaliges Geschäft handelte. Gott weiß, wie es mit der Bank unter Walters Leitung weitergehen wird.«
»Er ist nicht so kompetent, wie Julius es war?« fragte Tweed.
»Bei ihm blicke ich einfach nicht durch. Er ist verschlagen, erweckt den Eindruck, als wäre er nur ein Präsident, der bei Konferenzen den Vorsitz führt. Aber manchmal mache ich mir so meine Gedanken über Walter.« Ihr Arm berührte Tweeds Genick, ihre Stimme war sehr leise. »Mußte Julius sehr leiden, bevor er starb? Gaunt hat mir eine grauenvolle Beschreibung geliefert, Feinfühligkeit gehört nun einmal nicht zu seinen Vorzügen. Er hält
finesse
für ein französisches Gebäck. Sie können gern rauchen, wenn Sie möchten, Mr. Newman. Ich habe gesehen, wie Sie in die Tasche greifen wollten. Darf ich Sie Bob nennen?«
»Ich bitte darum.«
Eve Amberg war Paula auf den ersten Blick unsympathisch gewesen. Jetzt änderte sie ihre Meinung. Sie hatte echten Kummer empfunden über die Art, auf die ihr Mann gestorben war. Newman griff nach einem Kristallaschenbecher auf dem unteren Bord eines kleinen Tisches.
Darin lag ein ausgedrückter Zigarrenstummel. Gaunt mußte geraume Zeit mit Eve verbracht haben, wenn er eine ganze Zigarre geraucht harte. Er mußte an die Zigarrenasche denken, die Paula und Tweed zur Analyse im Polizeipräsidium gelassen hatten – die Asche, die Tweed auf der Fensterbank des namenlosen Hauses in Rock gefunden hatte. Eve sprang auf, brachte ihm einen anderen Aschenbecher.
»Der ist schmutzig.«
Sie kehrte zu ihrem Platz neben Tweed auf der Couch zurück. Sie rauchte ihre eigene Zigarette in einer langen Elfenbeinspitze und schwenkte sie, um ihre Worte zu unterstreichen.
»Es war wirklich sehr nett von Ihnen, herzukommen, um mir von Julius’ tragischem Tod zu erzählen. Es war purer Zufall, daß Gaunt vor Ihnen eingetroffen ist. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Und jetzt frage ich mich, ob Walter es schon weiß. Wir sehen uns nur ganz selten, aber ich muß ihn wohl anrufen.«
»Die Mühe habe ich Ihnen erspart«, erklärte Tweed. »Wir haben ihn in der Bank aufgesucht…«
»Ah! Und anstatt selbst herzukommen, hat er zugelassen, daß Sie diese unangenehme Aufgabe übernehmen. Typisch für ihn. Aber Walter und ich sind uns praktisch fremd.«
Du reagierst schnell, dachte Paula. Und hast einen scharfen Verstand. Julius war ein Narr, mit anderen Frauen herumzuspielen. Sie plauderten noch eine Weile, dann sagte Tweed, sie müßten gehen. Eve begleitete sie zur Tür. Sie hatte sich bei Newman eingehakt.
»Bitte besuchen Sie mich noch einmal, bevor Sie aus Zürich abreisen. Versprechen Sie es.« Sie sah Paula an. »Die Einladung gilt natürlich auch für Sie, Paula. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht die Aufmerksamkeit gewidmet habe, die man von einer perfekten Gastgeberin erwarten muß.«
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen«, erklärte Paula.
»Das muß für Sie eine sehr schwierige Zeit sein.«
»Das Mädchen sagte, Sie wären mit einem Taxi gekommen«, erinnerte Eve sich plötzlich. »Hier oben gibt es keine Taxis. Ich bestelle Ihnen eins. Müßte eigentlich schnell kommen …«
Als das Taxi von der Villa aus losfuhr, warf Tweed schnell einen Blick durchs Heckfenster. Der BMW parkte immer noch ein Stück weiter bergauf, und es saßen zwei Leute darin. Er hatte den Taxifahrer angewiesen, sie zum Limmatquai zu fahren und sie in der Nähe der Rudolf-Brun-Brücke abzusetzen.
Als sie die Brücke überquerten, schien die Sonne nach
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