Todesstatte
Sarg unter Umständen leer zur Bestattung gebracht worden sein?«, fragte Fry.
»Nein, nein, völlig unmöglich.«
»Wäre es möglich, dass der Leichnam entnommen und der Sarg mit etwas anderem beschwert wurde, um die Tatsache zu vertuschen, dass er leer war?«
»Sie verstehen nicht ganz«, sagte Hudson. »Dieser Trick würde vielleicht bei einer Beerdigung funktionieren. Aber Audrey Steele wurde eingeäschert. Wenn sich kein Leichnam im Sarg befunden hätte, wäre das dem Krematoriumspersonal sofort aufgefallen.«
»Ich verstehe.« Fry sah sich im Büro um. »Was für Sicherheitsvorkehrungen gibt es hier?«
»Wir haben unsere Alarmanlage Anfang des Jahres modernisieren lassen«, erwiderte Hudson.
»Nach dem Einbruch?«
»Ja. Hören Sie, Sergeant, verraten Sie mir jetzt endlich, was das alles soll?«
»Während wir die Akten heraussuchen, könnten Sie die übrigen Informationen beschaffen, die wir brauchen«, sagte Fry. »Wir hätten gerne eine Liste mit allen Ihren Mitarbeitern, einschlieÃlich jener, die vor achtzehn Monaten hier beschäftigt waren, aber die Firma inzwischen verlassen haben.«
»Das kann einige Zeit dauern«, sagte Hudson.
»Sind Ihre Personalakten etwa nicht auf dem neuesten Stand, Sir?«
»Selbstverständlich sind sie das.«
»Dann dürfte es ja kein Problem sein.«
Hudson seufzte tief, ging dann jedoch weg, um mit der Sekretärin zu sprechen.
Fry schlenderte zurück zur Tür, wo sie auf Cooper stieÃ. »Warum können wir die Personalakten nicht ebenfalls beschlagnahmen, Diane?«, fragte er.
»Die sind nicht im Durchsuchungsbefehl aufgeführt.«
»Warum nicht?«
Fry sah ihn an. »ÃuÃerst behutsam, weiÃt du noch? Jemand hat sich für einen Kompromiss entschieden.«
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Bevor sie gingen, warf Cooper noch einen Blick in die Werkstatt, in der drei Männer arbeiteten. Einer von ihnen war Vernon Slack, ein anderer der dickhalsige Bobby McGowan, den er beim Tragen eines Sarges im Krematorium gesehen hatte. Heute hatte McGowan sein Jackett ausgezogen und die Hemdsärmel hochgekrempelt, als er einen Sarg mit satinartigem Material auskleidete und ein Namensschild am Deckel befestigte. Er hatte so viele Tätowierungen an den Armen, dass seine Haut aussah wie Schimmelkäse. Aus seinen Ãrmeln hätten ebenso gut zwei Rollen reifer Gorgonzola hängen können.
Auf einer Seite der Werkstatt stand eine Reihe von Sargwagen. In den Schränken und den Regalen an den Wänden befanden sich Gummischläuche, GefäÃe mit roter Flüssigkeit sowie ein Vorrat an Griffen, Sargauskleidung und Namensschildern. Hinter den Sargwagen sah Cooper mehrere Kleiderspinde. Er nahm an, dass die Angestellten mehrere Garnituren Bekleidung benötigten: formelle Bestattungsbekleidung, irgendetwas Elegantes zum Abholen von Leichnamen, legere Bekleidung für die Arbeit in der Werkstatt oder in der Leichenhalle. Einer der Spinde stand offen, und an der Tür hing eine schwarze Lederjacke.
Cooper war der Ansicht, dass sie vorsichtig mit Melvyn Hudson und seinen Angestellten umgehen sollten. Hudson und Slack war eines von den Unternehmen, deren Ãberleben von ihrem Ruf abhing und schwer unter Tratsch und unbegründeten Gerüchten leiden würde. AuÃerdem hatten sie es mit Menschen zu tun, die ihre Emotionen unter Kontrolle hatten und darin geübt waren, die Fassade zu wahren. Es war schwer zu beurteilen, ob Hudson das aus Gewohnheit tat oder ob er versuchte, eine Empfindung zu verbergen, die man nicht im Gesicht eines Bestattungsunternehmers sehen wollte.
McGowan blickte auf und sah Cooper. Er lächelte und spannte die Muskeln an. Eine seiner Tätowierungen bewegte sich, als die Haut sich dehnte: Ein Drache breitete seine Flügel aus, öffnete sein Maul und spie bläuliche Flammen.
Als Cooper das Gebäude verlieÃ, sah er Vernon Slack in den Hof laufen, wo die Leichenwagen und Limousinen geparkt waren. Vernons knochige Handgelenke ragten aus seinen Manschetten heraus, als er versuchte, den Knoten seiner schwarzen Krawatte zu korrigieren. Doch im Laufen machte er alles nur noch schlimmer. Die Art, wie er sich bewegte, erinnerte Cooper an Tom Jarvisâ Hündin Graceless. Er sah aus wie ein harmloser Tölpel, der sich letzten Endes wehtun würde, weil er so unbeholfen war.
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Der Baum, der über dem
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