Todesstatte
Bestandsaufnahme der Gebeine in der Alder-Hall-Gruft durchzuführen. Das hatte vermutlich nichts zu bedeuten, doch Fry hatte noch immer ein ungutes Gefühl, was ihn betraf. Ein Bauchgefühl, mehr nicht, und sie durfte nicht zulassen, dass es ihr Urteilsvermögen beeinflusste.
»Ãbrigens«, sagte Murfin, »eine Dame ist hier, die mit jemandem sprechen möchte, eine Mrs. Somerville.«
»Nie von ihr gehört.Was will sie denn? Kannst du dich nicht um sie kümmern, Gavin?«
»Na ja, ich dachte, du würdest dich vielleicht selbst mit ihr unterhalten wollen. Sie sagt, sie wäre Professor Robertsons Tochter.«
Â
Â
Anne Jarvis lag auf einem Sofa im Wohnzimmer. Nur ihr Kopf und ihre Arme ragten unter der Steppdecke hervor, mit der sie zugedeckt war, und eine Hand hing schlaff nach unten. In dem Raum war es sehr warm, und irgendwo flog eine Fliege gegen eine Fensterscheibe.
Cooper blieb in der Türöffnung stehen, um die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Zu den ersten Dingen, die ihm auffielen, gehörte das rosafarbene Blumenmuster der Steppdecke. Nirgendwo wären Hundehaare stärker aufgefallen. Die Luft war stickig, und der Geruch erinnerte ihn an seine Besuche im Krankenhaus. Was man von Mrs. Jarvisâ Haut sehen konnte, war weià und beinahe durchsichtig. Das Licht einer Stehlampe neben dem Sofa drang bis zu den Adern durch, als würde ihr Körper von Seidenpapier zusammengehalten.
Mit einiger Anstrengung drehte sie den Kopf auf dem Kissen und sah ihn an. »Das ist ja nett«, sagte sie. »Noch ein Besucher. Ich fühle mich geehrt.«
»Entschuldigen Sie die Störung«, erwiderte Cooper. »Mir war nicht bewusst...«
»Dass das ein Krankenzimmer ist? Ja, ich fürchte, das ist es.« Ihre Stimme war schwach, aber trotzdem lebendig. Sie bewegte die rechte Hand, vollendete die beabsichtigte Geste jedoch nicht. »Seien Sie nicht so schüchtern, wer auch immer Sie sind â setzen Sie sich und trinken Sie eine Tasse Tee.«
»Ich kann wirklich nicht bleiben, Mrs. Jarvis. Ich bin nur reingekommen, um hallo zu sagen.«
»Das ist der Polizist, von dem ich dir erzählt habe, Annie«, sagte Jarvis und beugte sich über sie, um ihre Hand wieder auf die Steppdecke zu legen. »Der Detective.«
»Oh, hat er auch einen Namen?«
»Ich bin Detective Constable Cooper, Mrs. Jarvis.«
»Cooper? Ich glaube, ich kannte schon mal einen Polizisten, der so hieÃ, aber ich habe vergessen, was er gemacht hat. Ich vergesse viele Sachen.«
Cooper trat unruhig von einem Fuà auf den anderen. Er hatte keine Ahnung, woran Mrs. Jarvis erkrankt war, und er konnte sie unmöglich direkt fragen. Es gehörte sich einfach nicht, so direkt zu sein. Der Hund, der ihm ins Zimmer gefolgt war, schlich sich zum Sofa und bezog neben der Steppdecke Stellung. Ob es sich um Feckless, Pointless oder Aimless handelte, konnte Cooper nicht sagen. Doch das Tier hielt sich völlig still, als Mrs. Jarvisâ Hand langsam nach unten rutschte und sich auf seinen breiten Kopf legte.
»Es ist schon wieder nass drauÃen«, sagte sie.
»Ja, das ist es, Annie«, erwiderte Jarvis.
»Dann habe ich ja Glück gehabt, dass meine Besucher im Regen hierhergekommen sind, um mich zu sehen.«
Cooper blickte sich im Zimmer um. Und erst jetzt sah er den anderen Mann, der regungslos in einem Sessel saÃ, halb verdeckt von der offenen Tür. Er war ungefähr genauso alt wie Tom Jarvis, war allerdings kleiner und sah ängstlich aus in seiner grünen Strickjacke, die sich über seinem Bauch wölbte, und mit seinem Tweed-Hut, den er auf dem Schoà umklammert hielt. Er schenkte Cooper ein schwaches Lächeln, sagte jedoch nichts.
»Das ist mein Bruder Maurice«, sagte Mrs. Jarvis, ohne den Kopf ganz zu drehen.
Die Anstrengung schien ihr ihre Energie zu rauben, und sie schloss die Augen. Ihr Ehemann stand betreten herum, und selbst der Hund wirkte besorgt. Cooper biss sich auf die Lippe. Je länger er hier war, desto mehr wurde er an seine Mutter in ihrem Krankenhausbett erinnert.
Der Bruder erhob sich und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich glaube, es ist Zeit für uns zu gehen. Annie ist müde.«
»Ja, natürlich.«
Cooper spürte, wie seine Wachsamkeit zurückkehrte, als sie das überhitzte Krankenzimmer verlieÃen. Er sah Mrs. Jarvisâ Bruder an. »Entschuldigen Sie, ich habe
Weitere Kostenlose Bücher