Todesstatte
Kirchenfriedhof bestattet werden, deshalb befinden sich ihre Gräber auf den Feldern um die Ortschaft. Zum Teil wurden dort ganze Familien auf einmal beigesetzt.«
»Sind diese Grabstätten bekannt?«
»Bekannt? Sie sind eine Touristenattraktion.«
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Als sie wieder in der West Street ankamen, verschwand Diane Fry noch vor der abendlichen Einsatzbesprechung zu einer Unterredung mit dem Detective Inspector, und Cooper bekam keine Gelegenheit, sie an ihr Versprechen zu erinnern. Anstatt sich die Tonbandaufzeichnungen anzuhören, breitete er deshalb die Fotos von den sterblichen Ãberresten aus, die im Ravensdale-Tal gefunden worden waren.
Die Qualität der Tatortfotografie hatte sich enorm verbessert, seit die Fotoabteilung in neue Drucker investiert hatte. Die Farben zeigten nun eine gewisse Ãhnlichkeit mit der Realität, anstatt auszusehen wie die Polaroid-Schnappschüsse eines Touristen auf der Durchreise. Jetzt konnte man erkennen, dass es sich bei dem Fleck auf dem Boden neben einer Leiche tatsächlich um Blut handelte und nicht um die Ecke eines graubraunen Teppichs.
Im Freien fingen die Aufnahmen manchmal sogar ziemlich interessante Lichteffekte ein. Auf einem der Ravensdale-Fotos erkannte Cooper das gesprenkelte Muster, das die Sonnenstrahlen erzeugt hatten, die durch den Baldachin aus Blättern gefallen waren. Da die Sonne bereits im Süden gestanden hatte, als die Aufnahmen gemacht wurden, musste es ungefähr Mittag gewesen sein. Der Fotograf hatte sich vermutlich gefragt, wann er endlich Mittagspause machen konnte.
AuÃerdem gab es eine Skizze des Fundorts, die jemand von der Spurensicherung angefertigt hatte. Sie war mit Pfeilen versehen, die den Markierungen auf dem Kompass entsprachen. Die Skizze bestätigte, was Cooper vor Ort aufgefallen war: Die FüÃe der Leiche hatten nach Osten gezeigt und der Kopf nach Westen.
Er hatte das Gefühl, dass diese Anordnung irgendeine Bedeutung hatte. Diese Vermutung gründete sich auf etwas, an das er sich verschwommen erinnerte, auf einen vagen Aberglauben, der ihm durch den Kopf geisterte. Er hätte nicht sagen können, wer ihn auf diese Idee gebracht hatte und wann das geschehen war. Vielleicht handelte es sich um etwas, was er als Kind gehört hatte, eine geflüsterte Unterhaltung zwischen älteren Verwandten bei einer Bestattung, ein Fetzen einheimischer Ãberlieferung.
Von Osten nach Westen. Ja, das hatte irgendeine Bedeutung, da war er sich sicher. Oder handelte es sich bei der Ausrichtung der Leiche doch nur um einen Zufall?
Nach den Ãberresten zu schlieÃen, die am Fundort sichergestellt worden waren, war die Frau mit einem ziemlich schlichten, hellblauen Kleid, Unterwäsche, Strumpfhose und blauen Sandalen mit zwei bis drei Zentimeter hohen Absätzen bekleidet gewesen. Eine Jacke oder etwas Ãhnliches hatte sie nicht über dem Kleid getragen. Es war unwahrscheinlich, dass sie selbst zu dem Bach bei Litton Foot hinuntergegangen war, aber nicht unmöglich.
Das Skelett war unvollständig, da mehrere kleine Knochen fehlten. Und es gab keinen Schmuck, der zur Identifikation hätte dienen können: keine gravierten Armreifen, keinen Ehering. Diese Frau war irgendjemandes Tochter und irgendjemandes Mutter gewesen. Aber war sie auch irgendjemandes Ehefrau gewesen?
Cooper war sich darüber im Klaren, dass er womöglich nie dahinterkommen würde, wie die Frau ums Leben gekommen war. Zumindest nicht anhand ihrer sterblichen Ãberreste. Die Gerichtsmedizin konnte zwar Erstaunliches leisten, aber keine Wunder vollbringen.
Und dann stellte sich noch die Frage, was mit Jane Raven Lees Leiche nach ihrem Tod geschehen war. Die Möglichkeiten beunruhigten ihn. Die Tote war nicht begraben, sondern einfach auf den Boden gelegt worden, wo sie den Elementen ausgesetzt gewesen war. Die Umstände hatten etwas Rituelles. Cooper wünschte sich, es hätte jemanden gegeben, der ihm sagen konnte, ob er eine wichtige Tatsache erkannt hatte oder ob er sich einfach etwas einbildete.
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Die abendliche Einsatzbesprechung dauerte nicht lange. SchlieÃlich gab es nicht viel zu berichten. Bei der forensischen Untersuchung des Tatorts waren keine Anzeichen für einen Kampf in der Nähe von Sandra Birleys Wagen gefunden worden, was vermuten lieÃ, dass der Entführer ihr keine Chance gelassen hatte zu fliehen und vermutlich eine Waffe benutzt hatte, um sie schnell
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