Todesstoß / Thriller
sich erinnerte. »Sie kenne ich nicht.«
»Sie war keine Kollegin?« Noch immer das Missfallen in seiner Stimme. Und … Enttäuschung?
»Ich glaube nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich es sagen.« Sie begegnete seinem verärgerten Blick. »Das schwöre ich.«
Das schien ihn zufriedenzustellen, zumindest vorübergehend. »Bleiben Sie hier. Ich sagen den Kollegen, dass sie Ihnen die Presse vom Leib halten sollen. Sie sind die einzige Verbindung zwischen den Opfern. Ich will nicht, dass etwas davon durchsickert.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Ich hab’s nicht eilig damit, alles auszuplaudern.«
Er nickte und tippte sich an die Hutkrempe. »Bis gleich.«
Stirnrunzelnd sah sie ihm nach.
Was wusste er? Wie hatte er es herausgefunden?
Und wer war Samantha Altman? Rasch zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte Ethans Nummer.
»Ich mach’s kurz. Es soll mich keiner beim Telefonieren sehen.«
»Wer ist keiner, Eve?«
»Die Polizei. Die Sache ist schlimm. Christy Lewis ist tot. Und sie ist nicht die Erste gewesen.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte schockierte Stille. »Mein Gott. Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Ja, abgesehen von der Tatsache, dass man mir gerade Handschellen angelegt und mich verhört hat.«
»Sie haben dir
Handschellen
angelegt?« Sein Flüstern war eindringlich und beherrscht, und sie begriff, dass Dana in der Nähe war.
»Detective Webster hat sie mir wieder abgenommen. Es war ein Irrtum. Die Polizisten, die zuerst hier eingetroffen sind, hätten das gar nicht tun sollen. Hast du noch eine Kopie der Datei, die du mir geschickt hast?«
»Eve«, fragte er warnend. »Worum geht es hier eigentlich?«
»Das weiß ich selbst nicht genau. Falls mich jemand telefonieren sieht, frage ich dich, ob du mir einen Anwalt besorgst. Ich denke zwar nicht, dass ich einen brauche, aber die Story ist glaubhaft. Hast du die Datei?«
»Ja.«
»Dann sieh bitte nach, ob auf der Teilnehmerliste eine Samantha Altman steht.«
Ein kurzes Schweigen entstand, als er die Namen durchsah. »Keine Altman darunter.«
»Das dachte ich mir schon. Drei Frauen sind tot, zwei waren Testpersonen von mir, Altman nicht. Die Polizei meint, ich sei die einzige Verbindung zu den drei Frauen, aber das kann nicht sein.«
»Du sagst jedenfalls nichts, bis wir einen Anwalt für dich haben«, meinte Ethan bestimmt.
»Ich bin nicht verdächtig, Ethan. Sie befürchten, dass ich auch gefährdet sein könnte.«
»Ach, und dieses Wissen soll mich beruhigen?«, knurrte er.
Zwei CSU -Vans hielten an der Straße. Ihnen folgte ein Geländewagen von dem Büro der Gerichtsmedizin, dahinter ein Mercedes. »Wohl nicht. Falls ich verhaftet werden, bist du der eine Anruf, den ich tätigen darf, okay?«
»Und bis dahin?«, fragte Ethan.
»Bis dahin müssen wir wohl abwarten. Mach dir keine Gedanken. Hier bin ich garantiert sicher.«
Montag, 22. Februar, 17.10 Uhr
Noah starrte auf die Szenerie. Alles wie gehabt. Christy Lewis hing von der Schlafzimmerdecke herab. Das Kleid war wie das von Samantha oder Martha, die Schuhe ebenfalls. Einer lag auf der Seite, der andere stand aufrecht. Das Make-up, der Hocker, das offene Fenster – alles gleich.
»Mein Gott«, murmelte Ian. Er umrundete das Opfer. »Das ist … surreal.«
Carleton war ihm gefolgt. »In der Tat … wenn es nur nicht so real wäre.«
»Kannst du etwas zum Todeszeitpunkt sagen, Ian?«
»Im Moment nicht. Dieselben punktuellen Blutungen in den Augen, der Strick liegt wie bei den anderen. Der Täter scheint eine Wissenschaft daraus zu machen.« Er schüttelte den Kopf.
»Hast du sie gesehen?«, fragte Jack, und Noah wusste, dass sich die Frage auf Eve bezog.
»Ja. Die verdammten Dorfbullen hatten ihr Handschellen angelegt.«
Micki, die Fotos machte, blickte verärgert auf. »Du hast sie ihr doch wieder abgenommen, oder?« Sie war verblüfft gewesen, als sie gehört hatte, dass Eve den Mord gemeldet hatte. Und regelrecht empört, als Noah ihr erzählt hatte, Eve hätte mit Martha Brisbane bei Siren Song gearbeitet. »Du musst dich irren!«, hatte sie so überzeugt gesagt, dass Noah sich die ganze Fahrt über gefragt hatte, was zum Teufel Micki Ridgewell eigentlich über Eve Wilson wusste.
»Natürlich habe ich sie ihr wieder abgenommen.« Noah betrachte Mickis Miene. »Wieso?«
Micki schüttelte den Kopf. »Sie hat einfach schon viel durchmachen müssen, das ist alles.«
Noah kannte Micki gut genug, um zu wissen, dass sie nicht mehr sagen würde. Er
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