Todesstoß / Thriller
Bekannten, Freund oder auch versehentlich von einem Passanten berührt werden konnte. Aber die Polizisten hatten sie festgehalten. Mich in den Wagen geschubst. Einen Augenblick lang war sie wieder achtzehn gewesen, voller Angst und kaum in der Lage, genügend Luft zu holen.
Zum Glück war es ihr gelungen, die aufkommende Panikattacke zu unterdrücken. Sie hatte sich zwar noch nicht wieder vollkommen beruhigt, aber sie konnte auf ihre Notatemtechnik verzichten.
Bevor die Polizei eingetroffen war, hatte sie es noch geschafft, Callie eine SMS zu schicken, damit jemand wusste, wo sie war. Kurz darauf war sie von Streifenwagen, Ambulanzen und Blaulich umgeben gewesen. Sie alle waren wegen Christy hier, dachte sie. Die Erinnerung an die toten Augen war noch allzu frisch. Und allzu schrecklich.
»Was soll denn das, Herrgott nochmal? Wer hat ihr die Handschellen angelegt? Sie sollten sie doch nicht
verhaften!
«
Noah Webster. Sie sah durchs Fenster und begegnete seinem Blick unter der Krempe des Hutes. Sie sagte nichts, als er die Tür öffnete und ihr die Handschellen abnahm.
»Es tut mir leid, Eve. Ein Fehler in der Kommunikation.«
Eve rieb sich die Handgelenke. »Haben Sie sie schon gesehen?«
»Ihre Freundin? Noch nicht. Kommen Sie.« Er nahm ihren Arm und wollte sie auf die Füße ziehen.
Eve riss sich los. Die Panik lauerte noch zu dicht unter der Oberfläche. »Wohin?«
»Zu meinem Wagen. Er hat getönte Scheiben. Ich will nicht, dass die Presse Fotos von Ihnen macht.«
Sie folgte ihm, aber als er die Beifahrertür öffnete, kochte die Panik über, und ihre Kehle verschloss sich.
Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, dass man niemals zu fremden Männern ins Auto steigen darf?
Seine Stimme.
Winters, der Mann, der sie verstümmelt und fast getötet hatte, vor fünf Jahren, elf Monaten und acht Tagen. Seine Stimme verhöhnte sie immer dann, wenn sie eine Panikattacke bekam. Oder wenn sie neben dem Wagen eines Mannes stand. Selbst wenn sie diesem Mann vertraute.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Webster.
»Ja, sicher. Sicher«, antwortete sie und konzentrierte sich auf Noahs Stimme. Er war echt, im Hier und Jetzt. Sie zwang sich, in seinen Wagen zu steigen, und zuckte zusammen, als er die Tür zuwarf.
»Sie müssen mir zuhören«, sagte er, als er sich hinter das Steuer setzte. Er blickte stur geradeaus, die Kiefer zusammengepresst. »Wir wissen über Ihre Arbeit Bescheid.«
Sie blieb so gefasst, wie es ihr möglich war. Wie hatte er das herausgefunden? »Ist das so«, sagte sie.
»So ist das«, erwiderte er barsch. »Vielleicht sind auch Sie in Gefahr. Sie bleiben hier, während ich mir die Tote ansehe.«
»Bitte legen Sie mir nicht wieder Handschellen an.«
»Das hatte ich auch nicht vor.«
»Wie haben Sie von meiner Arbeit erfahren?«
Endlich sah er sie an. »Im Moment stelle ich hier die Fragen. Wann sind Sie hier eingetroffen?«
In seinen Augen las sie Missbilligung. Wäre er Donner gewesen, hätte sie es verstanden. Aber Webster hatte keinen Grund, sie für etwas zu verurteilen, das sie getan oder nicht getan hatte. Sie hatte zwar Regeln gebrochen, aber nicht das Gesetz. »Etwa drei Minuten, bevor ich Sie angerufen habe.«
»Wieso sind Sie überhaupt hergekommen?«
»Christy ist nicht zur Arbeit erschienen. Ich hatte mir Sorgen gemacht.«
»Sie kannten sie also gut?«
»Gut genug.« Das stimmt. Martha war nur zum Shoppen zu Eves Laden in Shadowland gekommen. Sie hatte Upgrades für das Gesicht ihres Avatars kaufen wollen. Christy hatte jemanden gesucht, mit dem sie plaudern konnte – auf Eve hatte sie einsam gewirkt. Nach nur wenigen Besuchen war sie durch Christys Avatar ziemlich gut über das reale Pendant informiert gewesen, und sie hatte auch bald gewusst, wo Christy arbeitete.
Und nun ist sie tot.
»Ihre Augen.« Sie schluckte hart. »Sie sahen so unnatürlich aus.«
»Ich weiß. Wissen Sie, ob Martha oder Christy Probleme mit jemandem von der Arbeit hatten?«
»Abgesehen von der Person, die sie umgebracht hat?«, fragte sie beißend, blickte dann aber auf ihre Hände herab. »Nein. Ich wüsste niemanden, der so etwas getan haben könnte. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr sagen.«
»Ja, ich auch. Bisher sind Sie die einzige Verbindung zwischen drei toten Frauen.«
Eves Kopf schoss hoch. »Drei?«
»Ja. Wir haben noch eine Samantha Altman.«
Eve versuchte, die Teilnehmerliste vor ihrem geistigen Auge heraufzubeschwören. Samantha Altman war kein Name, an den sie
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