Todesstoß / Thriller
getreten.
»Liv. Der ist irgendwo in einen Wagen gesprungen. Nie im Leben hätte er dir zu Fuß davonkommen können.« Kane sprach von einem Kronzeugen. »Wir liegen einfach auf der Lauer, bis er wieder aus seinem Loch kriecht. Der Staatsanwalt braucht ihn erst nächste Woche.«
»Ja, du hast ja recht«, murmelte sie, dann griff sie nach ihrem Handy. Sobald sie die ersten Töne von »Bad to the Bone« hörte, wusste sie, dass es sich um Abbott, ihren Chef, handelte. »Ja, Sutherland?«
»Ich brauche Sie beide bei diesen Selbstmordfällen. Wir suchen eine Cassandra Lee. Sie ist die Geschäftsführerin einer Firma namens Siren Song, ein Telefonsexanbieter.«
»Aber wir suchen gerade nach Dustin Hanks«, sagte sie. »Der Staatsanwalt wartet auf ihn.«
»Das hier ist wichtiger. Faye hat die Adresse dieser Lee. Sie gibt Sie Ihnen jetzt durch.«
Olivia reichte den Hörer an Kane weiter. »Faye ist dran. Wir sollen bei Websters Fall helfen. Sieh zu, dass mein Telefon zwiebelfrei bleibt.«
Montag, 22. Februar, 18.45 Uhr
Wenigstens hatte man ihr nicht wieder Handschellen angelegt. Eve saß allein im Verhörraum auf dem Präsidium. Es war nun fast eine Stunde her. Ein Becher Kaffee stand vor ihr auf dem Tisch, und der Duft verhöhnte ihren brennenden Magen. Alles, was sie vor ihrem inneren Auge sah, war Christy Lewis, die von einem Haken an ihrer Schlafzimmerdecke baumelte.
Drei Frauen waren tot. Jemand hatte sie umgebracht.
Und die Polizei denkt, ich wüsste, wer es gewesen ist.
Du musst es ihnen sagen, Eve. Du musst ihnen alles sagen.
Langsam wandte Eve den Kopf und blickte zum Spiegel, durch den man sie beobachten konnte, was sie sehr gut wusste. Sie sah ihr Gesicht, finster und verärgert. »Also gut«, murmelte sie. »Ich werde es tun.«
»Wie?« Die Tür ging auf, und Webster trat ein. Jack Phelps folgte ihm auf dem Fuß. »Wir haben Sie nicht verstanden.«
»Haben Sie mich etwa beobachtet? Die ganze Zeit?«
»Nein. Wir sind gerade erst gekommen.« Er stellte eine Tüte auf den Tisch. »Ein Sandwich.«
Sie schob es von sich. »Ich kann nichts essen. Aber danke.«
Webster setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. »Wir haben versucht, Kontakt mit Ihrer Vorgesetzten aufzunehmen.«
Eve gab sich Mühe, ihrer Miene nichts anmerken zu lassen, aber wieder begann es in ihrem Magen zu brennen. Donner würde ausrasten. Als es noch wie Selbstmord ausgesehen hatte, hätte das Komitee in einem Disziplinarverfahren vielleicht noch ihre Partei ergriffen. Aber hier ging es nicht mehr um Selbstmord oder Marthas seelisches Wohlbefinden. Sie war bloß eine einfache Diplomstudentin, die eine Doppelblindstudie verhauen hatte.
Ich bin auf mich allein gestellt.
Dass sie der Polizei half, war ihr ganz persönliches Risiko. »Meinem Boss.«
Webster betrachtete sie eingehend. Ruhig. Etwas hatte sich verändert, seit er sie vorhin in seinen Wagen gesetzt hatte. Nun war sein Blick sanft und freundlich. Besorgt. Und voller … Mitgefühl.
Verdammt.
Sie konnte immer ganz genau sagen, ab wann die Leute Bescheid wussten. In der Bar stellte niemand Fragen, es sei denn, er war betrunken, und Sal warf jeden sofort hinaus, der aufdringlich wurde. Doch sobald jemand etwas über sie herausgefunden hatte, gab es diese typischen Blicke. Und es wurde getuschelt.
»Ja«, sagte er. »Wir brauchen eine Liste der Mitarbeiter.«
Eve runzelte die Stirn. »Wieso denn das?«
»Weil wir wissen müssen, wer sonst noch in Gefahr schwebt.«
Eine Mitarbeiterliste? Das ergab keinen Sinn. Sie wollte ihm gerade genau das sagen, als sich die Tür öffnete und ein gut gekleideter Mann Mitte dreißig eintrat.
»Sag kein Wort«, warnte er. Und jetzt erkannte Eve ihn. Es war Callies Date, der Verteidiger. »Mein Name ist Matthew Nillson. Ich bin in meiner Eigenschaft als Eves Anwalt hier. Darf ich bitte mit meiner Mandantin reden?«
Webster sah sie an. »Wann haben Sie einen Anwalt angerufen?«
Eve schüttelte den Kopf. »Habe ich gar nicht.«
Matt warf ihr einen warnenden Blick zu. »Detectives, sorgen Sie dafür, dass die Lautsprecher ausgeschaltet sind.« Sobald sie draußen waren, wandte Matt sich an sie. »Gibt es etwas, das an der Aufforderung ›Sag kein Wort‹ unmissverständlich ist?«
Sie ignorierte ihn und sprach das Erste aus, das ihr durch den Sinn ging. »Ich kann mir keinen Anwalt leisten.«
»Schon okay. Ich mache so etwas hin und wieder unentgeltlich. Callie rief mich an. Sie ist zum Tatort gefahren, aber die Polizei hat ihr gesagt,
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