Todesstunde
wusste ich, dass dies keine gute Idee war. Ich beschloss, den Rückzug anzutreten.
Eine leere Bierdose landete neben mir, als ich die Treppe hinunterging.
Der junge Flaherty höchstpersönlich winkte mir aus dem ersten Stock des Rattenlochs zu.
»Oh, Herr Wachtmeister, Entschuldigung. Die muss mir aus der Hand gerutscht sein.«
Trotz des Lärms, den der tobsüchtige Hund veranstaltete, hörte ich heiseres Lachen aus dem Haus.
Den ganzen Tag nur Tod, und zum Nachtisch gab’s Spott. Ich zertrat die Bierdose und eilte zum Wagen, bevor ich meine Waffe ziehen konnte.
25
Voller Wut kehrte ich nach Hause zurück, brauchte aber einen Moment für mich allein. Da ich diesen Moment gleichzeitig entspannend und konstruktiv gestalten wollte, entschied ich mich für das, was jeder wütende, überarbeitete Polizist in meiner Situation tun würde. In der Garage breitete ich ein paar alte Zeitungen auf einer Arbeitsbank aus und begann, meine Glock 21 auseinanderzunehmen.
Eine halbe Stunde lang haute ich auf den Putz, reinigte den Lauf und den Schlitten, bis alles blitzeblank war und wie nagelneu glänzte. Ich bin nicht stolz darauf, dass mir während meiner pingeligen Arbeit einige unchristliche Gedanken bezüglich gewisser Breezy-Point-Bewohner durch den Kopf gingen. Als ich das Magazin meiner Halbautomatik lud und mit einem gut geölten Klick hineinschob, machte ich mir in Gedanken eine Notiz, beim nächsten Mal, wenn ich Seamus sehen würde, die Beichte abzulegen.
Beim Aufräumen entdeckte ich auf einem Regalbrett hinter einer mit Schrauben gefüllten Kaffeedose eine Flasche Johnny Walker. Die hatte sicher einer meiner Cousins nach seinem eigenen Familienurlaubsfiasko dort stehen lassen. Mit den Fingern auf der Arbeitsbank trommelnd, beäugte ich die halb volle Flasche.
Warum sollte ich mich nicht einfach betrinken und die Welt zur Hölle fahren lassen? Ich hatte guten Grund dazu. Mehrere Gründe. Während ich überlegte, ob ich mich meiner Schwäche hingeben sollte, hörte ich, wie jemand die Veranda hinaufging und klingelte.
»Hallo, ist Juliana da?«, rief eine Stimme.
Die Stimme gehörte zu Joe Dingsbums, einem großen, freundlichen, nicht psychotischen Highschool-Schüler, der eine Straße weiter wohnte und auf Juliana stand.
»Hey, Joe«, antwortete Juliana kurz darauf.
»Wollt ihr, also du und Brian und die anderen, noch mal eine Runde spielen?«, fragte der pfiffige Breezy-Point-Romeo.
»Heute Abend nicht, Joe, aber ich schicke dir morgen eine SMS, okay?«, wimmelte Juliana ihn kurzerhand ab, bevor sie ihm die Tür vor der Nase zuknallte.
Das ist seltsam, dachte ich und ging nach draußen und die Veranda hinauf, nachdem Joe wieder abgezogen war. Ich wusste, dass auch meine Tochter ein bisschen in diesen Kerl verknallt war. Was war hier los?
Ich fand es nach einem Blick durch unser neues Fenster heraus. Juliana saß lachend auf dem Sofa und lackierte Bridget die Fußnägel. Fiona, Shawna und Chrissy saßen daneben und warteten, bis sie an der Reihe waren. Jane saß im Sessel mit nach hinten geneigter Rückenlehne, ihre Augen mit Gurkenscheiben bedeckt.
Ich konnte einfach nur bewundernd den Kopf schütteln. Juliana wusste, wie aufgeregt ihre kleinen Schwestern wegen der Flaherty-Geschichte waren, und hatte ihre Pläne über den Haufen geworfen, um die Mädchen mit einem Wohlfühlprogramm zu trösten. Während ich mir überlegte, eine Flasche Schnaps zu kippen, war Juliana in die Bresche und mir zur Seite gesprungen.
»Und jetzt ein kräftiger Applaus für den Vater des Jahres, Mike Bennett«, murmelte ich und ließ mich in die Hollywood-Schaukel fallen. Dort saß ich noch immer, als Mary Catherine herauskam. Mit sorgenvollem Blick wegen meines jammervollen Gesichtsausdrucks ließ sie sich neben mich aufs Polster sinken.
»Wie geht’s den Flahertys?«, fragte sie.
Ich blickte sie an in der Absicht, meinen Besuch bei ihnen zu leugnen, bis ich meine Mundwinkel zu einem schwachen Lächeln verzog.
»Schlechte Nachrichten, Mary.« Ich drehte meinen Kopf zur sandigen Auffahrt hinüber. »Was in etwa auch für die letzten Tage gilt. Für diese Ferien. Diese Stadt. Diesen Planeten.«
Schlau, wie sie war, ging sie wieder hinein und ließ mich mit meiner Weltuntergangsstimmung allein. Als mein Diensttelefon eine halbe Stunde später klingelte – es wurde die Nummer meiner Chefin angezeigt –, dachte ich ernsthaft darüber nach, es möglichst weit von der Veranda fortzuwerfen. Und vielleicht noch ein paarmal
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