Todesstunde
andere Wange hinhalten.«
»Genau«, blaffte Brian. »Und wenn Ricky das nächste Mal seine andere Wange hinhält, platzt wenigstens die Naht auf der ersten Wange nicht auf.«
Brian hatte recht. Wir bekamen einen Tritt nach dem anderen in den Hintern, doch mir fiel, erschöpft wie ich war, nichts ein, um so zu tun, als wäre alles in Ordnung.
In dem Moment begann Bridget am anderen Ende des Tischs zu weinen, nahezu gleichzeitig gefolgt von ihrer Zwillingsschwester Fiona.
»Ich will nach Hause«, lamentierte Fiona.
»Ich will nicht mehr hier sein«, fügte Bridget hinzu. »Ich will nicht, dass jemand Ricky und Eddie wehtut, Daddy. Fahren wir für den Rest unserer Ferien zu Tante Suzie.« Tante Suzie wohnte in Montgomery in New York, wo sie und Onkel Jerry ein wahnsinnstolles Restaurant besaßen, das Back Yard Bistro. Im Sommer zuvor hatten wir dort am nahe gelegenen Orange Lake unsere Ferien verbracht.
»Mädchen, seht mich an. Niemandem wird mehr wehgetan, und wir werden hier immer noch unseren Spaß haben. Ich werde mich um die Sache kümmern. Versprochen.«
Sie lächelten. Zaghaft nur, aber immerhin.
Ich konnte sie nicht enttäuschen. Es gab keine Ausflucht, ob New York angegriffen wurde oder nicht.
Ich musste mir etwas ausdenken. Aber was?
23
Es war dunkel, als Berger die Whitestone Bridge überquerte. Auf dem Northern Boulevard in Flushing in Queens öffnete er das Verdeck seines Cabrios.
Verkehr, schäbige Flughäfen, eine noch schäbigere Baseball-Mannschaft. Gab es was in Queens, das nicht beschissen war?
Langsam bewegte er sich durch das Straßennetz in dem Versuch, sich nicht zu verfahren. Es war nicht leicht: überall, wo er hinsah, nur niedrige, gepflegte, langweilig aufgereihte Wohngebäude. Zum Glück gab es Navigationssysteme.
Fünf Minuten später hielt er schließlich hinter einem Behindertenbus in der Nähe einer mit Holzplanken versehenen Anliegerstraße parallel zum Cross Island Parkway. Er schaltete den Motor aus, nicht aber das Radio. Eine Weile hörte er noch einer Gesprächsrunde zu, bevor er zu einem anderen Sender mit einem besänftigenden Brahms-Konzert wechselte.
Als es vorbei war, blieb er schweigend in der Dunkelheit sitzen. Nur dazusitzen und zu warten war eine Qual, wenn es noch so viel zu tun gab. Er hatte ernsthaft überlegt, diesen Teil auszulassen, sich am Ende jedoch entschieden, alles wie geplant durchzuführen. Jedes kleinste Detail war Teil der Mühsal, rief er sich in Erinnerung. Auch Michelangelo hatte das Gerüst selbst gebaut und die Farben selbst gemischt, als er die Sixtinische Kapelle ausgemalt hatte.
Erst etwa eine Stunde später fuhr ein neuer Volvo Crossover an ihm vorbei und bog auf eine abgeschiedene Straße, die den Hügel hinauf entlang einer Schneise mit Strommasten führte und wo sich für gewöhnlich Liebespaare in ihren Autos vergnügten.
Er wartete zehn Minuten, bevor er in seine treuen OP-Handschuhe schlüpfte, seine neue schwarze Perücke herauszog und sich die Papiertüte schnappte.
Glühwürmchen flogen zwischen dem Unkraut und den Wildblumen entlang des feuchten Weges umher. Wäre der riesige Strommast nicht gewesen, der sich oben am Hügel wie eine hässliche, schlampig vernähte Narbe vor dem dunklen Himmel absetzte, hätte er sich einbilden können, irgendwo in Vermont spazieren zu gehen.
Obwohl die Lichter des Volvo ausgeschaltet waren, bemerkte Berger heftige Bewegungen hinter den beschlagenen Scheiben. Sich regen bringt Segen. Von wegen, dachte Berger, als er die schwere Waffe aus der Papiertüte nahm.
An der Beifahrerseite stieß er die Mündung seiner stupsnasigen, klobigen .44 Bulldog gegen die Scheibe.
Pling, pling, machte es.
»Klopf, klopf«, sagte er.
Die beiden lagen bei heruntergelassener Rückenlehne auf dem Beifahrersitz. Die junge Dame sah ihn zuerst über die Schulter ihres Begleiters hinweg. Sie war hübsch, hatte rote Haare und cremefarbene Haut.
Berger trat ein paar Schritte zurück, als sie zu schreien begann.
Während der Mann mittleren Alters mühsam seine Hose nach oben zog, ging Berger hinten um den Wagen herum auf die Fahrerseite und nahm eine vorbildliche asymmetrische Weaver-Haltung ein. Beide Hände ausgestreckt, Ellbogen fest, aber nicht starr, Gewicht gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt. Als der Kerl endlich aufrecht saß, zielte die Waffe genau auf sein Ohr.
Der zweifache Knall und der heftige Rückschlag waren überraschend nach dem leichten Abzug. Das Fenster auf der Fahrerseite zerbarst,
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