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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Genitalien und die zahllosen ordinären Wörter durch, die seine Vorgänger in die Mauer geritzt hatten. Plötzlich wurde irgendwo geklatscht. Irgendwo hinter der geschlossenen Metalltür lief eine Sportsendung in einem Fernseher. Die Menge grölte, der Sprecher gab aufgeregte Kommentare ab, wieder wurde euphorisch geklatscht.
    In dem Moment spürte er eine Kälte in seinem Brustkorb, als würde ihn ein Eiszapfen durchbohren. Er dachte über sein Leben nach. Darüber, was er sich und anderen angetan hatte.
    Er schob Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand in den Mund, als wollte er pfeifen. Doch er zog einen seiner Backenzähne ab, den dritten links oben, und nahm vorsichtig etwas heraus, das sich dort befand.
    Was er ins Licht hielt, sah aus wie eine kleine, rote Geleebohne. Es war ein spezieller Gelbeutel mit einer Flüssigkeit. Eine Giftkapsel, eine äußerst tödliche Mischung aus Zyanid und Kodein.
    Die Zeit für Plan B war gekommen. Denjenigen, von dem auch Carl nichts wusste.
    Es ist vorbei, dachte Berger mit Blick auf die Kapsel. Im Schutz seiner Zitadelle hatte er gedacht, er könnte der Gesellschaft kalt ins Auge blicken und lachen. Jetzt, da er der Situation direkt ausgesetzt war, schaffte er es nicht.
    Wie enttäuscht Carl seinetwegen wäre. Denn der Plan, den sie sich ausgedacht hatten, war noch nicht zu Ende. Was bisher geschehen war, gehörte nur zur Phase eins.
    Gleich nach Bergers Tod würde seine Schwester in Minnesota das Testament anfechten, und sein gesamtes Vermögen, auch der Schmiergeldfond, zu dem er Carl Zugang gewährt hatte, würde umgehend eingefroren werden. Carl, vielleicht der einzige wahre Freund, den er je gehabt hatte, würde auf dem Zahnfleisch kriechen.
    Es nützt ja nichts, dachte Berger und schob sich die Kapsel rasch in den Mund.
    Er überraschte sich selbst. Statt wie üblich zu zögern, biss er auf die Kapsel und schluckte sie hinunter, befürchtete noch, er könnte sich wegen der bitteren Flüssigkeit übergeben. Doch er atmete langsam und vorsichtig ein und aus, bis er sich besser fühlte und das Licht um ihn herum immer schwächer wurde.

77
    Alles schlief bereits, als ich nach Mitternacht nach Hause kam, und schlief immer noch, als ich angezogen mein Zimmer verließ, um zu unchristlicher Zeit – um fünf Uhr morgens – zur Arbeit zu fahren.
    Oder doch nicht alle? Unter der Wohnzimmertür bemerkte ich einen Lichtstreifen. Ich öffnete die Tür, doch auf dem Sessel neben der Leselampe in der Ecke saß niemand. Ich wollte sie gerade ausschalten, als hinter dem Sessel jemand kicherte.
    Ich beugte mich hinüber. Bridget saß im Schlafanzug mit gekreuzten Beinen auf ihrem Kissen, das neueste Buch aus der Reihe Die 39 Zeichen auf ihrem Schoß.
    »Hallo«, flüsterte ich.
    »Hallo, Dad«, sagte sie, ohne aufzublicken.
    »Äh, was machst du schon so früh?«
    »Lesen«, antwortete meine Tochter, wobei ich eindeutig ein »Dummkopf« heraushörte.
    »Willst du dich nicht in den Sessel setzen?«
    »Kann ich nicht.« Sie blätterte um. »Ich muss wegen Fiona heimlich lesen. Mary Catherine macht einen Wettbewerb, wer bis zum Ende vom Sommer am meisten Bücher gelesen hat, und ich glaube, ich bin Fi-Fi um eins voraus. Wenn sie sieht, dass ich lese, wird sie versuchen mich einzuholen. Ich will sie in ein Gefühl der Selbstzufriedenheit einlullen.«
    Ich blinzelte und nickte. Natürlich. Selbst Lesen war in einer Familie mit zehn Kindern ein Wettbewerb. Nun, zumindest in einer Familie, in der die Kinder so verrückt wie meine waren.
    »Was bekommst du, wenn du gewinnst?«, wollte ich wissen.
    »Ein Abendessen und einen Kinobesuch mit Mary Catherine. Nur wir beide.«
    Klang gut. Ich nahm mir vor, auf dem Rückweg in der Bibliothek vorbeizufahren.
    »Na, dann noch viel Spaß beim Einlullen.« Ich drückte ihr einen Kuss aufs Haupt und ging zur Tür. »Und viel Glück.«
    Als ich losfuhr, war es immer noch dunkel. Irgendwo an der Grenze zwischen Brooklyn und Queens verließ ich die Schnellstraße und besorgte mir etwas zu essen. Wieder im Wagen, umgeben von ratternden Sattelschleppern, rief ich im Büro an.
    Es gab nichts Neues, was in diesem Fall eine schlechte Nachricht war, da es bedeutete, dass wir von Bergers Freund, Carl Apt, noch immer keine Spur hatten. Ebenso wenig wie von dem Mercedes-Cabrio, das normalerweise in der Garage um die Ecke von Bergers Wohnung stand.
    Und das Schlimmste war, dass es in keiner der städtischen und staatlichen Datenbanken einen Carl Apt gab. Nichts.

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