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Todesstunde

Todesstunde

Titel: Todesstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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nur einen Witz machte. Wenn man schon so dick wird wie ich und den ganzen Tag im Bett verbringt, wird einem langweilig. Doch dann las ich in der Zeitung einen Artikel über die Bombe in der Bibliothek, und da wusste ich: Er tut es tatsächlich! Carl tat alles, was er sagte, und setzte noch eins oben drauf.«
    Ich blickte auf den Spiegel, hinter dem Emily uns beobachtete. Was Berger erzählte, ergab Sinn. Mit Sicherheit erklärte es, warum wir Schwierigkeiten gehabt hatten, eins und eins zusammenzuzählen. Es war nie nur um ein Motiv von einem Täter gegangen, sondern um eine seltsame Mischung aus mehreren seltsamen Motiven.
    »Sie sind nie auf die Idee gekommen, zur Polizei zu gehen?«
    Berger zuckte mit den Schultern und untersuchte seine Fingernägel. »Scheine ich vergessen zu haben«, murmelte er.
    Ich blickte auf Berger hinab. »Und Sie geben bereitwillig alles zu? Sie gestehen Ihre Beteiligung ein?«
    »Darauf bin ich stolz«, antwortete Berger. »Schreiben Sie es auf, Mike, und geben Sie mir einen Kuli. Ich werde mehr als glücklich sein, das Geständnis auf der gepunkteten Linie zu unterschreiben.«
    Es war seltsam, als ich mich auf dem Absatz umdrehte, um den Raum zu verlassen, doch plötzlich spürte ich keine Wut mehr. Ich weigerte mich, mich von Bergers Bosheit und seinen verdrehten, lächerlichen, pathetischen Gefühlen anstecken zu lassen. Plötzlich konnte ich ihn als das sehen, was er war: ein Haufen menschlicher Müll. Ich war nur ein Müllmann, der versuchte seine Arbeit zu machen.
    »Bin in fünf Minuten zurück, Lawrence«, versprach ich mit diesmal nicht erzwungenem Lächeln.
    Ich war regelrecht glücklich. Glücklich, dass ich bald von hier verschwinden und zu meiner Familie zurückkehren würde. Diesen Missgriff der Menschheit würde ich vergessen haben, sobald ich aus der Dusche gestiegen war.
    »Danke für Ihr Entgegenkommen. Ich bin mit dem Geständnis und einem Kugelschreiber gleich wieder da.«

75
    Lawrence Berger lag in dem staubigen Hinterzimmer des 19. Reviers auf einem mit Stahl verstärkten Krankenhausbett, das dem NYPD von der Brookhaven-Klinik für Fettleibigkeit in Queens geliehen worden war.
    Das Neonlicht ließ den Schweiß auf seinem blassen Gesicht glitzern. In einer Art Verzückung blickte er, auf der Seite liegend, auf die nackte Wand, ohne etwas Bestimmtes zu sehen.
    Als er hier in diesen Stall gesperrt worden war, hatte er sich wegen der seltsamen Umgebung, der stickigen Luft und dem Gestank nach verbranntem Kaffee, kaltem Schweiß und Urin übergeben. Die Beamten, die für ihn zuständig waren, hatten ihn über eine Stunde lang in seinem Erbrochenen liegen lassen, bevor sie ihm ein paar Servietten und ein neues Laken gegeben hatten.
    Berger ertrug die Erniedrigung, weil er sich an die Helden der Geschichte erinnerte, die unter den Schwächeren gelitten hatten. Dank seines nahezu fotografischen Gedächtnisses beschwor er Jacques-Louis Davids Der Tod des Sokrates herauf. Er dachte über Detective Michael Bennett nach. Seit der Geiselnahme in der St. Patrick’s Cathedral einige Jahre zuvor hatte er dessen Karriere verfolgt. Eine Zeitlang hatte er sich dem Mann wie einem metaphysischen Zwilling seelisch verbunden gefühlt. Ausgerechnet ihm gegenüber ein Geständnis abzulegen war, als wäre ein Traum wahr geworden, als wäre der Zuckerguss auf einen lange und sorgfältig geplanten Geburtstagskuchen gegossen worden.
    Berger seufzte. Die Feier neigte sich ihrem Ende zu.
    Dennoch lief trotz all seines Leids und seiner Überlegungen alles auf eine Sache hinaus. Auf eine einzige. Worauf es am Ende immer hinauslief.
    Auf seine Familie. Seinen Großvater, Vater und Bruder. Sein geliebtes Fleisch und Blut.
    Sein Großvater, Jason Berger, war ein großer Mann gewesen. Als Held im Ersten Weltkrieg sowie hervorragender Ingenieur, Geschäftsmann und Politiker hatte er nicht nur zur Entwicklung des Interstate-Highway-Systems der Vereinigten Staaten beigetragen, sondern auch zum Entwurf vieler Brücken und Alleen von New York City.
    Sein Vater, Samuel J. Berger, hatte die Familientradition fortgeführt und sich als einer der ersten visionären Geschäftsleute im Computerzeitalter hervorgetan. Das von ihm gegründete Unternehmen, Berger Applications, war eins der ersten Risikokapitalfirmen in Silicon Valley gewesen und hatte, wie Milliardäre sich gerne bescheiden ausdrücken, »ganz gute Zahlen« erwirtschaftet.
    Dann war David gekommen, Lawrence’ älterer Bruder und, sofern sich dies

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