Todessymphonie (German Edition)
an.
Okay, das reichte. „Leck mich, Memphis.“
„Du hast ein ganz schönes Mundwerk. Würde jedem Seemann zur Ehre gereichen.“ Aber er lächelte, und sie wusste, dass er sich nur über sie lustig machte. Aus irgendeinem Grund störte sie das gar nicht mehr so sehr. Sie lachten gemeinsam und waren das erste Mal zusammen entspannt.
In angenehmem Schweigen saßen sie ein paar Minuten zusammen, nippten an ihrem Wein, schauten alles an, nur nicht einander. Schließlich rutschte Memphis mit seinem Stuhl näher. Er legte eine Hand auf den Tisch, nur Zentimeter von ihrer entfernt, beugte sich näher. Er wartete, bis sie ihm in die Augen sah, wartete auf diese kleinen Blitze des Erkennens und der Anziehung, die immer zwischen ihnen hin- und herschossen. Sie könnte sich in diesemschmerzenden blauen Meer verlieren, wenn sie nicht aufpasste.
„Ich könnte dich innerlich aufwecken, Taylor. Dich ins Leben zurückbringen. Du musst mir nur die Chance dazu geben.“
Er sagte es so leise, dass sie erst dachte, sie hätte die Worte nicht laut gehört, sondern sie wären einfach so in ihrem Bewusstsein aufgetaucht.
„Wie bitte?“ Ihre Stimme klang schärfer, als beabsichtigt.
Er rutschte ein winziges Stückchen näher, streckte seine Hand aus, um mit einer Haarsträhne zu spielen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Einen Moment lang war Taylor wie gebannt, beobachtete die langsame, streichelnde Bewegung seiner Finger an ihrem Haar. Wie eine Kobra, die einen Mungo hypnotisiert.
Es war unausweichlich, und so war sie nur ein klein wenig überrascht, als sie seine Lippen auf ihren spürte. Der Kuss war sanft, lasziv. Sie spürte seine Zungenspitze und war erschrocken, als sie merkte, dass sie ihren Mund öffnete und ihre warmen Zungen einander berührten. Ein einziger Kuss. Was konnte der schon anrichten? Er würde weiter und weiter andauern, wenn sie es zuließe. Doch sie riss sich zusammen und schob Memphis verlegen von sich.
„Was zum Teufel tust du da?“, fuhr sie ihn an, genervt davon, wie atemlos sie sich anhörte.
Er sah sowohl verletzt als auch beschämt aus. „Nichts. Ist egal. Ich habe die Zeichen falsch gedeutet. Ich … ich muss los. Ich muss einen Anruf tätigen. Falls du mich brauchst, ich bin im Hotel.“
Er stand abrupt auf und ging, ohne sich zu verabschieden.
Sie blieb allein am Tisch zurück und fragte sich, was genau da eben passiert war. Er könnte sie innerlich aufwecken? Zugegeben, sie fühlte sich ein wenig von ihm angezogen, irgendeine schlichte, chemische Reaktion. Der Kuss – oh, über den wollte sie jetzt nicht nachdenken.
Aber sie konnte nicht anders. Sie fing an, zu analysieren. War es nicht das, worum es im Leben ging? Sollten wir uns nicht alle ab und zu vom anderen Geschlecht angezogen fühlen, selbst wenn wir in einer stabilen, liebevollen, glücklichen Beziehung sind? Das ist reine Biologie, der Fortpflanzungsdrang der Menschen. Ganz natürlich, ja, sogar gesund. Alleine, ob man ihm nachgab, entschied darüber, ob man ein guter oder ein schlechter Mensch war. Augenblicke wie dieser bestimmen, wer du bist.
Taylor hatte sehr schnell verstanden, dass Memphis Highsmythe nur zu bereit war, ihre Moral, ihren Körper und ihr Leben zu kompromittieren. Sie bräuchte ihm nur das entsprechende Zeichen zu geben, und er würde sich auf sie stürzen wie der Wolf auf das Lamm.
Er wäre nicht zärtlich. Sie spürte die Flammen in ihm, das wütende Inferno, das er in sich verschlossen hielt, sorgfältig versteckt hinter der pantherartigen Eleganz, mit der er sich bewegte. Das war ihr in dem winzigen Augenblick klar geworden, in dem ihre Lippen einander berührt hatten. Irgendetwas trieb ihn an, und sie nahm an, es war die Verzweiflung über die zerbrochenen Stücke seiner Ehe, der Verlust seiner Frau und seines ungeborenen Kindes. Sie verstand das. Sie hatte sich in der Vergangenheit bereits mit verletzten Männern eingelassen, mit Männern, die sie brauchten. Bedürftigkeit war gleichzusetzen mit Verzweiflung, und während der Sex immer fantastisch gewesen war, war der emotionale Preis für sie stets mehr gewesen, als sie ertragen konnte.
Baldwin hatte nichts von dieser Verzweiflung an sich. Er war innerlich solide, keine Anzeichen von verborgenen Feuern.
Sie schüttelte den Kopf. Was in drei Teufels Namen machst du dir da für Gedanken, Taylor?
Baldwin. Sie brauchte Baldwin. Ein Kuss, und er würde sie wieder erden, würde alle Erinnerungen an Memphis und seine blauen Augen aus ihrem
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