Todestanz
Forderungen, keine â¦Â« Er brachte das Wort Leiche nicht über die Lippen, aber beide dachten es und sahen es vor sich. Sahen sie mit offenen Augen blind in der Kälte liegen.
»Helfen Sie mir, nach ihr zu suchen.« Er sah sie wieder an. »Sehen Sie sich wenigstens die Bänder der Ãberwachungskameras an. Morgen Vormittag im Cyclops Centre. Am Foreshore.«
Eine Sirene gellte in der Ferne. Riedwaan schnippte seine Zigarette in die Kaffeetasse.
»Es ist Mitternacht.« Die Kellnerin hatte schon den Mantel übergezogen. »Wir schlieÃen. Das macht zwanzig Rand.«
Clare und Riedwaan überquerten gemeinsam die StraÃe und blieben vor ihrer Haustür stehen.
»Sind wir uns einig?«
Clare legte die Hände auf seine Arme, hielt ihn kurz fest,
blickte ihm aus nächster Nähe in die Augen. Eigentlich hatte sie das nicht gewollt, aber er sah so verzweifelt aus.
»Ich werde sehen, was die Kameras zu sagen haben.«
Sie zog die Tür hinter sich zu, lehnte sich dagegen, lauschte den leiser werdenden Schritten. Sein Geruch lag noch auf ihrer Haut. Angst, Einsamkeit, Kardamom.
Vierzehn
Das Licht auf Clares Schreibtisch bildete eine goldene Pfütze in der Dunkelheit. Die Promenade lag verlassen da; selbst die Obdachlosen waren vor dem Wind in die Hauseingänge und Bushäuschen geflohen. Ein Minibus-Taxi hielt gegenüber dem Minigolfplatz, der über den Winter geschlossen war. Ein einzelner Passagier stieg aus, ein dünner Mann mit einem Jackett, das nicht zu seiner Hose passte. Er ging auf die Bäume zu, die das überwucherte Labyrinth umstanden. Jede Menge Platz zum Schlafen, aber unangenehm kalt. Einmal drehte er sich um und sah nach oben, fast als würde er in Clares Fenster starren, bevor er in der Dunkelheit untertauchte. Fröstelnd zog Clare den weiÃen Schal von ihrer Stuhllehne und legte ihn um ihre Schultern.
Ihr Apple zeigte mit einem Piepen an, dass die gewünschten Seiten heruntergeladen waren. Sie widmete sich wieder der Internetrecherche über Captain Riedwaan Faizal, den Berichten, die in der Presse erschienen waren, und dazu ein paar anderen von Websites, zu denen sie eigentlich keinen Zugang haben sollte.
Er war 1990, im Jahr von Nelson Mandelas Freilassung, in den Polizeidienst eingetreten. 1994 hatte man ihn befördert
und zur Kriminalpolizei versetzt. Er war so etwas wie eine Berühmtheit. Eine Reihe von Verhaftungen, über die ausführlich berichtet worden war. Er schien geradezu besessen davon, die harten Kerle hinter Gitter zu bringen, die die Cape Flats terrorisierten. Die Gangchefs. Die wenigen Anklagen gegen Riedwaan â eine wegen Körperverletzung, die anderen wegen Hausfriedensbruchs â hatten sich vor Gericht in Wohlgefallen aufgelöst. Seine Gang Unit war, bisher jedenfalls, erfolgreich. Die meisten Angeklagten, die er vor Gericht gebracht hatte, waren verurteilt worden. Und seine Zeugen hatten überlebt, was noch ungewöhnlicher war. Eine Tapferkeitsmedaille für die Rettung eines Kollegen. Beide verwundet. Was sie in der Gasse hinter einem Crackhaus getrieben hatten, wurde nie ganz geklärt. Die Liste der Leute, die ihn gern aus dem Weg geräumt hätten, würde wahrscheinlich einen ganzen Aktenschrank füllen. Ein aufrechter, cholerischer Bulle, der von der Presse geliebt wurde?
Die Spitze eines Eisbergs an Ãrger.
Und seine Tochter? Vielleicht hatte Yasmin eine Tante oder ihre Oma besucht, und im GroÃfamilientrubel war die Anwesenheit einer weiteren Sechsjährigen gar nicht aufgefallen. Man hatte ihr etwas zu essen gegeben und sich nicht weiter um sie gekümmert, und schlieÃlich war sie mit einem Haufen von Cousins und Cousinen zusammen ins Bett gefallen. Ein Kind mehr, das niemand bemerkt hatte. Es bestand die Möglichkeit â stets ersehnt, aber selten zutreffend.
Eigentlich nicht.
Clare stand auf und stellte sich vor die Wandkarte. Der Wind hatte sich gelegt, und die Stille schien den Knoten der Angst in ihrer Kehle noch straffer zu ziehen. Sie öffnete das Fenster, um die Wellen gegen die Kaimauer klatschen zu hören. Dann betrachtete sie wieder das Porträt, das Riedwaan ihr gegeben hatte. Ein zartes, ovales Gesicht auf einem dünnen
Hals. In ihrem rosa Balletttrikot, das Yasmin auch tragen würde, wenn sie das Kind fänden.
Falls sie es fänden.
Clare zog ihre Notizen heraus und überflog, was Riedwaan Faizal ihr
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