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Todestanz

Todestanz

Titel: Todestanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margie Orford
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Leiche wurde eine Woche später in einem Abwasserkanal am Hafen gefunden.
    Es waren zu viele, die Details verschwammen allmählich genauso wie die Gesichter. Und jetzt dieser neue Fall. Der nicht zu den anderen passte.
    Yasmin Faizal.
    Clare musste davon ausgehen, dass sie noch am Leben war, musste das Bild einer Kinderleiche, weggeworfen wie ein gebrauchtes Taschentuch, aus ihrem Gedächtnis streichen. Diese Arbeit war inzwischen ihr Leben geworden. Eine Arbeit,
in der sie gut war, vielleicht das Einzige, worin sie gut war. Im Leben war sie anscheinend nicht so gut.
    Ein leises Stechen im Kopf. Sie schaltete das Licht aus und das Klavierkonzert von Beethoven ein, das ihr inzwischen so vertraut war wie ihr eigener Atem. Schloss die Augen und wartete darauf, dass die Musik das langsame Crescendo der Kopfschmerzen, die Akkorde ihrer ganz persönlichen Musik, übertönte.
    Ein Uhr dreißig.
    Clare klappte den Ordner zu und hörte die Nachtstille flüstern. Noch auf dem Weg durch den Flur streifte sie ihr Abendkleid über den Kopf und spürte die schwarze Seide wie feuchten Tang über ihren Körper gleiten. Dann zog sie ihr Nachthemd an und trat auf den Balkon vor ihrem Schlafzimmer. Feine Gischt trieb über die Kaimauer. Schatten zogen durch die dunklen Teiche zwischen den vereinzelten Laternen entlang der Promenade.
    Die Polizistentochter, deren Foto auf dem Schreibtisch lag: Schon wieder ein Mädchen, das allein die Nacht durchstehen musste. Noch eines. Inzwischen hielt der Schmerz Clares Schädel wie in einer Schraubzwinge gefangen.

Fünfzehn
    Der Druck des Herzens, das gegen ihre Rippen hämmert.
    Kalt.
    Dunkel.
    So kalt, so dunkel.
    Sie versucht sich zu erinnern. Das Essen. Die Styroporbehälter. Sie wollte weglaufen, aber sie waren zu schnell für sie.

    Der Ölgestank brennt in Yasmins Kehle. Sie spürt etwas Klebriges in ihrer Wange. Sie fährt mit der Zungenspitze darüber. Ein Zahn, noch einer, dann eine Lücke. Das Bluten hat aufgehört, aber es fühlt sich immer noch wund an. Ihre Zunge tastet sich weiter. Noch ein Zahn, der spitze Eckzahn. Noch eine Lücke, die sie schon länger hat. Die Zahnmaus hat ihr dafür zehn Rand gebracht.
    Sie will zu ihrer Mama.
    Das Brennen der unterdrückten Tränen steigert sich zum offenen Brand. Ein Schluchzer quetscht sich durch ihre Kehle, und eine Träne läuft ätzend über den Schnitt in ihrer Wange, wo sie der Mann mit seinem Ring getroffen hat.
    Sie will zu ihrem Vater.
    Er wird sie finden und aus der Dunkelheit retten, vor der sie so viel Angst hat.
    Er hat es versprochen.
    Sie atmet tief ein, so wie es ihr Daddy macht, wenn er Angst hat; das hat er ihr erzählt. Das Pochen in ihren Ohren lässt nach, und sie kann wieder hören.
    Stille.
    Absolut.
    Kein Geschirrklappern.
    Kein Fernsehen.
    Keine Mutter, die leise ins Telefon spricht.
    Sie hat sich schon daran gewöhnt, dass die Stimme ihres Vaters abends nicht mehr zu hören ist. Aber das heißt nicht, dass sie das ruhige, tiefe Brummen seiner Stimme unter dem wütenden Zischen ihrer Mutter nicht vermisste.
    Der Schmerz in ihrem Gesicht ist echt.
    Die Kälte ist echt.
    Der Hunger, der ihren Bauch auffrisst, ist echt.
    Das drückende Metall ist echt.
    Sie versucht die rechte Hand zu heben, aber es geht nicht. Bei der linken auch nicht. Schon der Versuch tut weh, weil die Plastikbänder
sofort tiefer in ihre Handgelenke schneiden. Sie hält sich ganz still. Das kann einen retten, wenn man in Gefahr ist. Ruhig bleiben und nachdenken. Jedenfalls sagt das ihr Daddy, aber ihr Gehirn lässt sich nicht so leicht zum Denken bringen. Ihre Gedanken sind wie Vögel, die gegen ein Fenster flattern. Je verzweifelter man ihnen helfen möchte, desto wilder fliegen sie gegen die Scheibe, bis sie betäubt und blutend zu Boden fallen.
    Im Geist streckt sie die Hände aus, hebt ihre Gedanken auf und trägt sie zur offenen Tür. Versucht zu ertasten, wo sie ist.
    Wenn sie weiß, wo sie ist, kann ihr Daddy sie vielleicht finden.
    Ihre Hände kann sie nicht bewegen, aber die Beine schon. Gemeinsam. Eine Schnur schneidet in ihre Knöchel. Sie schwingt die Füße nach oben und schlägt mit den Knien gegen Metall. Sie rollt die Knie nach rechts.
    Wieder Metall.
    Wieder hoch und nach links. Dort ist nichts. Nur harter Gummi an ihrem Schienbein. Ein Reifen. Metall drückt in ihren Rücken. Ein Reifeneisen. Vielleicht auch

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