Todestanz
durchwinkten, und kurz darauf parkte er auf seinem Stammplatz vor dem Verwaltungsblock. Einen Moment verharrte er im Kokon des geheizten Wagens und hörte die Nachrichten zu Ende. Der Sprecher warnte vor einem aufkommenden Sturm, aber Naturkatastrophen waren einem Gang-Massaker wie dem in Maitland eindeutig vorzuziehen. Schon bei dem Gedanken wurde ihm übel. Und doch war er hier und verteilte Schmerztabletten an genau die Männer, die solche Taten begingen  â und zwar meist so empfindungslos, als würden sie eine Fliege erschlagen.
Hoffman griff nach einer Aktentasche voller Berichte aus dem Leichenschauhaus, Röntgenaufnahmen, Attesten und einem Stethoskop.
»Sie können wirklich nicht von uns lassen, Doc«, witzelte der Wachhabende.
»Der Gouverneur will jeden Mann, krank oder tot, vor der morgigen Zeremonie untersucht haben«, erklärte Hoffman. »Eine Gruppe von früheren politischen Gefangenen, die durch das Empowerment-Programm zu Milliardären wurden, wird die Statue eines alten Kämpen enthüllen, der idiotischerweise gestorben ist, bevor er reich werden konnte. Und dabei sind keine Kranken erlaubt.«
Der Wächter lachte und schloss die Tür auf, die zu dem
abgetrennten Hospitalflügel führte. »Morgen wird es hier aussehen wie im Paradies.«
Auf den Wartebänken im Gang drängten sich die Männer, die Beine breit in den schmalen Gang gestreckt. Hoffman spürte ihre Blicke in seinem Rücken, während er das Untersuchungszimmer aufschloss. Der Arzt legte die Ordner ab, prüfte sein Stethoskop und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Er holte sein Portemonnaie heraus, strich mit dem Daumen über die Gesichter seiner Frau und seiner Töchter und lieà das Foto dann in seine Brusttasche gleiten. Sein Talisman, direkt auf seinem Herzen. Eine Krankenschwester überreichte ihm die Patientenakten, und Hoffman blätterte sie kurz durch.
Beim ersten Klopfen war er bereit.
» Binne.«
Der Erste. Hinter ihm ein orangefarbenes Band harter, skrupelloser Männer. Den ganzen Tag lang blickte Hoffman in Rachen und Ohren. Er hörte Brustkörbe ab, in denen die TB rasselte, prüfte die Aids-typischen Hautausschläge. Nachdem er keine antiretroviralen Medikamente zu verteilen hatte und das örtliche Krankenhaus keine Kranken aus dem Hochsicherheitstrakt aufnahm, verabreichte er ein paar billige Schmerzmittel und schickte die Männer dann in die Zellen zurück.
Die Schwester brachte Hoffman eine Tasse mit lauwarmem Tee. Ein brauner Film trieb auf der Oberfläche, aber er schluckte ihn trotzdem weg. Noch während er den Befund des vorangegangenen Patienten niederschrieb, spürte er jemanden vor seinem Schreibtisch stehen.
» Naam?«
»Khan.«
Die Stimme war leise und gebieterisch. Korbus Hoffman sah zu dem Patienten auf, der lässig vor ihm stand. Der
groÃe Mann mit dem rundlichen Rumpf wirkte eigentümlich vertraut.
Dr. Hoffman suchte seine Karte heraus. Rafiek Khan â der Letzte in der Schlange.
Beschwerden: Brustschmerzen. Husten.
»Hoes?« , fragte Hoffman.
»Husten, genau.« Der Gefangene knöpfte sein Hemd auf und entblöÃte die auf dem Hals eintätowierte 27.
Hoffman steckte sich das Stethoskop in die Ohren.
»Sind Sie verheiratet, Doc?«
Hoffman lauschte gerade dem typischen tuberkulösen Rasseln in der Brust des Häftlings, darum traf ihn die Frage völlig unvorbereitet.
»Ja«, sagte er.
Die Lippen des Häftlings teilten sich. »Ihre Frau ist ein lekker vet boeremeisie.« Er schob die dünnen Hüften nach vorn. Und wieder zurück. Eine weltweit verständliche Ãberlegenheitsgeste.
»Sie werden hier drin sterben, Khan.« Hoffman versuchte sein Unbehagen zu überspielen, indem er sein Stethoskop abwischte und wegpackte.
»Drinnen, drauÃen. Mir ist das egal.« Die Lippen des Gangsters verzogen sich zu einem Lächeln, und die 27 über seinem Adamsapfel begann zu pulsieren.
»Warum sind Sie dann hier?«
»Um sicherzugehen, dass mein Auftrag erledigt wird, Doc. Um sicherzugehen, dass Sie mir das geben, was ich brauche.«
»Sie haben Ihre Pillen«, sagte Hoffman.
»Sie werden es schon mitbekommen, Doc.« Khan hatte das orangefarbene Hemd schon wieder angezogen. »Sie sollten es jedenfalls mitbekommen. Schon wegen Ihrer geliebten Familie.«
»Sie haben, ob General oder nicht, da drauÃen
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