Todestanz
vom Hals hat, bis er den Deal mit seinen Freunden aus Ãbersee abgeschlossen hat.«
»Was sind das für Leute?«
»Russen, sagt man. Aber die Leute hier halten jeden für
einen Russen, der schwarze Haare und eine dicke Goldkette hat und kein Portugiese in seinem Eckcafé ist. Ich werde mich ein bisschen für Sie umhören. Wenn wir nicht aufpassen, bringen wir das Mädchen noch um. Und Sie dazu, Doc. Sie müssen besser auf sich aufpassen.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Die Leute rauchen, und dann fangen sie an zu quatschen«, erklärte ihr Pearl. »Sie machen sich nicht gerade beliebt mit dem, was Sie da tun. Sie haben mehr als einen Geschäftsabschluss verhindert. Gewinne vermindert. Aufmerksamkeit auf Dinge gelenkt, die ansonsten glattgelaufen wären. Und dass Sie mit Captain Faizal zusammenarbeiten, macht es nicht besser.«
»Ãber wen reden wir hier, Pearl?«
»Ich weià nur, dass Sie auf sich aufpassen sollten«, mahnte sie. »Ich rede wieder mit Ihnen, wenn ich was Konkretes weiÃ. Irgendwas, das Sie brauchen können. Irgendwas, das nicht zu mir zurückverfolgt werden kann. Oder«, Pearl sah auf den Spielplatz, »zu ihr.«
Clare folgte Pearls Blick. Das Kind auf der Schaukel.
»Wer ist sie?«
»Sehen Sie sie an. Ihr Gesicht«, befahl Pearl. »Und dann sehen Sie mich wieder an.«
Die hohen, breiten Wangenknochen, die mandelförmigen Augen, das dunkle Haar. Pearl so ähnlich und doch ganz anders. Die Miene des Kindes wirkte offen â und die Freude im Gesicht seiner Mutter war ein scharfer Kontrast zu der Sehnsucht in Pearls.
»Meine Tochter. Der Grund, warum ich Ihnen helfe. Sie heiÃt Hope. Als ich sie weggegeben habe, habe ich den neuen Eltern erklärt, dass ich nur eines wollte â sie sollte den Namen behalten, den ich ihr gegeben habe. Mehr hat sie nicht von mir.«
Pearl lauschte, während das Lachen ihrer Tochter über den Spielplatz schallte.
»Jetzt heiÃt sie Hope Pennington. Ihre Mutter ist eine Anwältin, die mit einer anderen Frau in einer hübschen, eleganten Wohnung lebt. Zwei Mommies. Absolut sicher. Hope geht in die Schule da drüben, in die Sie auch gegangen sind, wo nur Mädchen hindürfen.«
Hinter dem Stacheldraht und dem Elektrozaun waren die hohen weiÃen Mauern der Schule zu sehen. Ein modernes Kloster, das die Welt aussperrte und ein paar glücklichen Mädchen für ein paar Jahre Schutz bot.
»Haben Sie deshalb den Job hier in der Nähe angenommen?«, fragte Clare. »Damit Sie Ihrer Tochter beim Spielen zusehen können?«
Pearl nickte. »Manchmal hilft es. An anderen Tagen â¦Â« Ihre Stimme versagte. »An anderen Tagen halte ich es nicht aus, dass man mir alles weggenommen hat, was mir wirklich wichtig war. Früher bin ich dann zu meinem Dealer gegangen  â aber das ist vorbei. Die Drogen helfen mir auch nicht mehr. Inzwischen krieche ich nur noch unter meine Decke, wenn ich sterben will, und schlafe einen oder zwei Tage durch, bis ich wieder aufstehen und von vorn anfangen kann.«
Die Frau half ihrer Adoptivtochter von der Schaukel, und die beiden spazierten Hand in Hand auf einen groÃen weiÃen Wagen zu. Pearl zündete sich die nächste Zigarette an. Inhalierte, blies danach einen Rauchstrahl. Inhalierte wieder.
»Kennt Hope Sie?«
»Sie musste mir versprechen, Hope zu sagen, dass ich tot bin und keine Verwandten mehr habe«, erzählte Pearl. Die Fingerknöchel spannten sich weià über den Knien, während sie zusah, wie die Frau das greinende Kind in den Kindersitz schnallte.
»Sie soll nie nach mir suchen und nie erfahren, wessen Tochter sie ist.«
»Sie wäre stolz auf Sie, wenn sie es wüsste«, versicherte ihr Clare.
»Es geht nicht um mich.« Pearl zog ihre Bluse hoch und entblöÃte die dünnen weiÃen Streifen auf ihrem weichen Bauch. Clare streckte die Hand aus und legte sie auf die Zeugnisse von Pearls Schwangerschaft.
»Sondern um Ihren Vater?«
Die Sonne schlüpfte hinter eine Wolke, die sich gerade über den Berg wälzte.
»Ein kluges Kind fragt nicht danach.« Pearl steckte die Bluse wieder ein. »Vor allem nicht bei einem Vater wie meinem.«
Pearl und Clare spazierten zum Eingang zurück. Sie umgingen die Wiesen, wo die letzten Samstagsbräute neben ihren Brautjungfern saÃen und darauf warteten,
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