Todeswatt
in Kürze endlich wieder ihren Körper zu spüren, ihren Duft zu atmen und ihre Lippen zu küssen, durchfuhr ihn ein wohliger Schauer. Es kribbelte in seinem Unterleib.
Natürlich wusste er, dass sie ohne Arnes Tod nicht zu ihm zurückgekehrt wäre. Dieser miese Kerl hatte ihm auf die ganz billige Masche seine Freundin ausgespannt. Mit teuren Geschenken hatte er sie überhäuft. Schmuck, Parfum, Seidenschals – alles Dinge, die Marcel sich nicht leisten konnte. Das Blaue vom Himmel hatte dieser gelackte Banker ihr versprochen. Da hatte er als einfacher Zeitungsmitarbeiter natürlich nicht mithalten können. Doch nun war er tot und störte ihre Liebe nicht mehr. Würde sich nicht mehr zwischen sie drängen können.
In der Ferne konnte er den Kaufmannsladen erkennen und beschleunigte seine Schritte. Er durfte keine Zeit verlieren. Es galt, eine Menge vorzubereiten.
Der kleine Laden war verhältnismäßig gut sortiert. Marcel Petersen kaufte ein paar Kerzen, zwei Flaschen Sekt, eine Schachtel edelster Pralinen und sämtliche Rosen, die er bekommen konnte. Die Verkäuferin lächelte freundlich, als er seinen Einkauf auf das Band legte.
»Na, das sieht mir aber nach einem romantischen Abend aus«, bemerkte sie schmunzelnd und Marcel Petersen nickte.
»Ich erwarte meine Freundin. Wir wollen uns ein schönes Wochenende auf der Insel machen«, erzählte er freimütig.
»Dann mal viel Spaß.« Die Frau mit der weißen Kittelschürze zwinkerte ihm bedeutungsvoll zu.
Mit seinen Einkäufen beladen machte er sich auf den Rückweg durch Tammensiel und dann durch die Uthlandestraße.
Claudia, dachte er sehnsüchtig. Ob sie ihn auch so vermisste? Er wünschte es sich und las die Zeit von seiner Uhr ab. Sicherlich würde sie bald auf der Insel eintreffen und dann wären sie endlich wieder vereint.
Er hielt unvermittelt inne. Aus dem Augenwinkel glaubte er, an einem der Fenster des Gebäudes zu seiner Rechten ihr Gesicht ausgemacht zu haben. Aber als er stehen blieb, um sich zu vergewissern, war nichts zu sehen. Es musste ein Wunschgedanke gewesen sein. Eine Halluzination. Seine Sinne hatten ihm einen Streich gespielt. Schließlich war dies die Polizeistation. Was sollte sie darin verloren haben?
*
Thamsen wanderte ruhelos in der Gaststube auf und ab, während Funke, Haie und Lisbeth Hansen nach wie vor an dem Tisch saßen und ihn bei seinem Streifzug beobachteten. Immer wieder ging er zu dem schmalen Sprossenfenster und hielt nach Marcel Petersen Ausschau.
»Wo bleibt der denn nur?« Thamsen wurde langsam ungeduldig. Seitdem der Verdächtige die Pension verlassen hatte, waren beinahe zwei Stunden vergangen und diese Warterei zerrte an seinen Nerven.
»Na ja, zu Fuß ist es schon ein Stück zu laufen«, bemerkte Funke.
Außerdem sei Samstag. Da würde sicherlich jede Menge los sein im Supermarkt, ergänzte Lisbeth Hansen. Sie knetete nervös ihre Hände und wiederholte in Gedanken ein ums andere Mal die Sätze, die sie zu Marcel Petersen sagen sollte: ›Ich habe Sie doch schon mal gesehen. Waren Sie nicht an dem Wochenende anwesend, an dem dieser Banker umgebracht wurde?‹
Endlich bog der Verdächtige um die Ecke. Er war mit zwei Tüten beladen.
»Los«, wies Thamsen an. »Alle auf ihre Plätze.«
Die Gastwirtin eilte hinter den Empfangsschalter und Björn Funke folgte ihr. Er schaffte es gerade noch, aus der Innentasche seiner Jacke einen Block zu ziehen, damit die Befragung möglichst realistisch wirkte, ehe die Eingangstür geöffnet wurde und Marcel Petersen die Pension betrat.
»Und du sagst, der Tote sei bei dir zu Gast gewesen?« Funke tat, als befrage er die Inhaberin zu dem Mordfall.
»Aber ja doch, er war öfter hier. Meistens in Begleitung einer Frau.«
»Unterschiedliche?«
»Nein, in der letzten Zeit ist immer so eine schlanke Dunkelhaarige mitgekommen.«
Marcel Petersen, der kurz gegrüßt hatte und sich eigentlich direkt aufs Zimmer begeben wollte, stoppte plötzlich und tat, als interessiere er sich für die Informationsbroschüren über die Insel, die sich in einem Ständer auf dem Tresen befanden.
»Aber an dem Wochenende war er allein hier, oder?«
»Angeblich hat er auf jemanden gewartet.«
»Eine Frau?«
»Anzunehmen.«
Lisbeth Hansen fiel es nicht schwer, ihre Antworten auf Funkes vorgetäuschtes Verhör möglichst authentisch klingen zu lassen, denn an und für sich entsprachen sie der Wahrheit. Doch dann kam die entscheidende Frage.
»Und ist dir an diesem Tag etwas
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