Todeswatt
ausgesagt, sie halte es nicht für ausgeschlossen. Aber da sie ihn nun schon einmal damit konfrontiert hatten, sollten sie am Ball bleiben, beschloss Thamsen. Seiner Ansicht nach war die Exfreundin ihre einzige Möglichkeit, ein Geständnis aus dem Verdächtigen herauszubekommen. »Sie kann es sich zumindest vorstellen.«
Marcel Petersen schien bewusst zu werden, in was für einer prekären Lage er sich befand. »Dann soll sie mir das mal ins Gesicht sagen«, entgegnete er trotzig. Wie hätte er auch ihre Anwesenheit auf der Insel aufgrund der geplanten Gegenüberstellung erahnen können? Umso verdutzter blickte er deshalb, als Thamsen ihn aufforderte, mit auf die Polizeidienststelle zu kommen.
»Wo ist Frau Lemke?«, wollte Thamsen wissen, als sie den Kollegen allein im Büro der Station vorfanden.
»Die wollte auf die Toilette«, erklärte der Polizist und blickte verwundert auf, als Tom und Haie nach Thamsen und dem Verdächtigen den Raum betraten.
Natürlich hatten die beiden es sich nicht nehmen lassen, dem Kommissar auf die Dienststelle zu folgen. Thamsen war zwar wenig begeistert davon, hatte aber weder Zeit noch Lust gehabt, mit ihnen darüber zu diskutieren.
Ungeduldig warteten sie auf die Rückkehr der Exfreundin und je länger es dauerte, umso beharrlicher beschlich Thamsen ein ungutes Gefühl. Hatte Claudia Lemke es vielleicht mit der Angst zu tun bekommen und war abgereist? Er hätte es durchaus verstehen können. Wer wollte schon mit dem mutmaßlichen Mörder seines Verlobten konfrontiert werden, noch dazu, wenn es sich um den eigenen Exfreund handelte?
»Schau mal nach, wo sie bleibt«, drängte er schließlich, woraufhin Funke bereitwillig davontrabte.
Bereits wenige Sekunden später kehrte er mit ratloser Miene zurück. »Das WC ist leer.«
»Schnell, zum Hafen«, bestimmte Thamsen, dessen Gefühl ihn nicht getäuscht hatte. Vielleicht hatten sie Glück und erwischten sie rechtzeitig, bevor sie mit einer Fähre verschwinden konnte.
In Windeseile machten sie sich auf den Weg zur Anlegestelle. Marcel Petersen und die Verdächtigungen gegen ihn waren in den Hintergrund getreten. Nun galt es zunächst, Claudia Lemke zu finden. Immerhin waren die frühere Beziehung zwischen ihr und dem Zeitungsreporter sowie ihre Äußerung, sie könne sich durchaus vorstellen, der Exfreund habe etwas mit dem Mord zu tun, die einzigen Anhaltspunkte, die sie hatten.
Als sie die Straße zum Hafen hinunterfuhren, sahen sie die Fähre gerade ablegen.
»So ein Mist!«, rief Thamsen und war mit seiner Verärgerung nicht allein. Auch Funke und die beiden Freunde fluchten. Jetzt hatten sie nichts in der Hand und mussten den Verdächtigen laufen lassen.
»Da ist sie«, rief Marcel Petersen plötzlich und deutete auf eine Stelle etwas abseits des Anlegers. Claudia Lemke stand dort, die Arme um ihren Körper geschlungen und starrte aufs Meer hinaus.
»Ich rede mit ihr«, bestimmte Thamsen. Funke stoppte den Wagen und er stieg aus. Langsam ging er auf die Frau zu, im Rücken die neugierigen Blicke der anderen.
»Haben Sie es sich anders überlegt?«, fragte er, als er neben sie trat. Claudia Lemke nickte stumm. Er betrachtete ihr Gesicht von der Seite und sah, wie eine Träne ihre Wange hinablief. Wahrscheinlich haben wir ihr doch zu viel zugemutet, dachte er. Der Tod des Geliebten, der Verdacht gegen den Exfreund und nun sollte sie diesem auch noch gegenübertreten. Kein Wunder, dass sie Reißaus nahm, überlegte Thamsen und legte behutsam seine Hand auf ihre Schulter.
Doch statt sich Schutz suchend an ihn zu lehnen, so wie er es sich wünschte, nahm sie Abstand.
»Ich habe das alles nicht gewollt«, flüsterte sie.
Er konnte sie gut verstehen. Ihr Exfreund war ihretwegen zum Mörder geworden. Natürlich plagten sie Gewissensbisse. Aber schuldig war sie deshalb nicht.
Er trat wieder einen Schritt auf sie zu. »Sie können ja nichts dafür.«
»Doch.« Sie fuhr herum. »Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen, aber«, sie stockte kurz und sah ihm direkt in die Augen. Der wohlige Schauer, der ihm in ihrer Nähe stets über den Rücken gelaufen war, blieb diesmal aus. Er konnte den Ausdruck in ihren Augen nicht deuten. »Ich habe Arne umgebracht.«
»Was?«, entfuhr es ihm. Er traute seinen Ohren nicht. Diese unsagbar schöne Frau konnte doch keine Mörderin sein. Das hätte er bemerken müssen. Wie in Trance nahm er ihre nächsten Sätze wahr, so sehr entsetzte ihn das Geständnis.
»Es war ein
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