Todeswatt
lagen mehrere Jahre Haft vor ihm und das ersehnte Leben mit der Geliebten konnte er sich erst einmal abschminken.
»Das kann er sowieso. Sie wird ihn hassen, wenn er ihren neuen Liebhaber einfach kaltblütig ermordet hat.«
»Vielleicht ist es doch keine gute Idee, sie dazuzuholen«, zweifelte Tom plötzlich.
»Wieso nicht?«
»Na, du weißt doch, wie unberechenbar Frauen manchmal sein können.«
»Hm«, entgegnete Haie und musste unweigerlich an Ursel denken.
Tom spürte das sofort. »Wie war eigentlich der Abend mit Ursel? Habt ihr euch ausgesprochen?«, fragte er deshalb, da er glaubte, es täte dem Freund gut, darüber zu reden.
Aber Haie war es eher unangenehm, zugeben zu müssen, die Angelegenheit nicht aus der Welt geschafft zu haben, da er seinen männlichen Trieben unterlegen war. »Na ja«, druckste er herum, »ich habe ihr gesagt, dass ich noch nicht bereit bin für eine Beziehung.«
Tom nickte. »Und was hat sie gesagt?«
»Sie war natürlich nicht besonders erfreut«, schwächte Haie Ursels tränenreiche Reaktion ab, war sich aber sicher, Tom konnte sich vorstellen, was genau er damit meinte.
»Is’ immer schwierig, so eine Trennung«, bestätigte dieser. Aber es sei sicherlich besser, ehrlich in Bezug auf die eigenen Gefühle zu sein, als dem anderen etwas vorzumachen. Er konnte da aus eigener Erfahrung sprechen.
»Hm«, bestätigte Haie wortkarg und Tom wusste, da war noch mehr, was den anderen bedrückte.
»Sie hat dich trotzdem wieder rumgekriegt, oder?«
Ihr vertrauliches Gespräch wurde urplötzlich unterbrochen. Sie hörten Schritte, gleich darauf eine ungeduldige Stimme.
»Hallo, ist hier jemand?«
Lisbeth Hansen, die sich in der Küche durch den Abwasch des Frühstücksgeschirrs abgelenkt hatte, rannte wie ein geölter Blitz in den Eingangsbereich. Die Tür zur Gaststube ließ sie offen und so war es Tom und Haie möglich, Marcel Petersens Ankunft zu beobachten.
»Moin.« Die Pensionsinhaberin rieb sich die feuchten Hände an der Kittelschürze ab und betrachtete den Gast neugierig. Sie war sich sicher, Marcel Petersen vor sich zu haben, auch wenn sie ihn nicht kannte und kein Foto von ihm gesehen hatte. Aber sie verfügte durch ihre jahrelange Tätigkeit im Gastgewerbe über eine gute Menschenkenntnis. Und dieser junge Mann schien ihr auch ohne die Verdächtigungen der Polizei äußerst suspekt. »Was kann ich für Sie tun?«, versuchte sie, sich möglichst freundlich nach seinem Anliegen zu erkundigen.
»Meine Freundin hat ein Zimmer reserviert«, erklärte Marcel Petersen seine Anwesenheit. »Auf den Namen Lemke.«
»Lemke?« Lisbeth Hansen wusste zwar von der Exfreundin, kannte aber nicht deren Namen. Sie ging zum Empfangsschalter und tat, als suche sie im Gästebuch nach einer Reservierung.
»Ich bin ein wenig früh dran«, entschuldigte sich der Zeitungsschreiber, während sie mit dem Finger die Buchungen abfuhr. »Ich hoffe, das ist kein Problem?«
»Nein, nein«, beruhigte ihn die Gastwirtin. »Ah, hier habe ich’s. Ein Doppelzimmer für eine Nacht?«
Tom und Haie, die atemlos die Szenerie verfolgten, waren erstaunt, wie gut Lisbeth Hansen ihre Rolle spielte.
Marcel Petersen nickte. »Kann ich schon rein?«
Das sei kein Problem, versicherte ihm Frau Hansen. »Darf ich Ihnen das Zimmer zeigen?«
»Nicht nötig.« Marcel Petersen griff nach dem Schlüssel und nahm die kleine Reisetasche, die er vor dem Tresen abgestellt hatte, an sich.
Die Gastwirtin befürchtete, er würde sich womöglich bis zur Ankunft der Freundin in dem Zimmer verschanzen. Wie konnten sie dann an ihn rankommen, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln?
»Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
Marcel Petersen lehnte dankend ab. »Oder ich kann Ihnen später etwas zum Mittagessen servieren.«
»Das ist nett gemeint. Aber machen Sie sich bitte keine Umstände.«
Er war bereits auf dem Weg zur Treppe und ließ Lisbeth Hansen ratlos zurück.
Überraschenderweise drehte Marcel Petersen sich noch einmal um. »Aber Sie könnten mir sagen, wo ich vielleicht ein paar Blumen kaufen kann.«
»Blumen?«, wiederholte die Gastwirtin verwirrt, fing sich aber schnell. »Ja, in Tammensiel gibt es einen Laden. Der hat bis mittags auf.«
Marcel Petersen nickte und verschwand ins Obergeschoss. Lisbeth Hansen wartete, bis er die Tür geöffnet hatte und sie diese ins Schloss fallen hörte. Dann eilte sie in die Gaststube.
»Das haben Sie gut gemacht. Ich glaube, er hat nichts gemerkt«, flüsterte Haie ihr
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