Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
im Laufe der Jahre an Intensität verloren. Heute wirkten sie eher wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, passten aber durchaus zu dem Mobiliar und den sonstigen Einrichtungsgegenständen.
    Er hörte im Hintergrund seinen Vater etwas Unverständliches murmeln und seine Mutter seufzte in den Hörer.
    »Gut, aber bitte gib uns morgen sofort Bescheid, sobald du Näheres weißt«, sagte sie zum Abschied und legte auf.
    Thamsen ließ sich rückwärts auf das massive Bett fallen, das unter seinem Gewicht leicht ächzte. Er schob den rechten Arm unter seinen Kopf und starrte zur Decke.
    Schon oft hatte er sich die Frage gestellt, warum sich sein Vater so ablehnend gegenüber der Familie verhielt. Ganz im Gegensatz zu anderen Großeltern, die sich über ihre Enkel freuten, sie verwöhnten und froh waren, wenn sie sich um sie kümmern durften, schienen ihm Anne und Timo eher lästig zu sein. Er wollte sie möglichst wenig um sich haben. Kinder störten ihn, brachten seinen geregelten Tagesablauf durcheinander. So war es bereits, als Thamsen noch klein war. Immer hatte sein Vater den Eindruck erweckt, als sei der Sohn ein Störenfried, ein leidiges Übel, das man zwar dulden, aber nicht mit übermäßig viel Aufmerksamkeit bedenken musste.
    Strenge hatte seine Kindheit geprägt. Es existierten mehr Verbote als Dinge, die Dirk Thamsen erlaubt waren. Freunde durfte er nur selten mit nach Hause bringen und wehe, es ging mal etwas lauter zu beim Spielen. Sofort stand sein Vater in der Tür und wies ihn mit barschen Worten zurecht. Gemeinsame Aktivitäten fanden fast nie statt.
    Womöglich hatte Hans Thamsen sich die Erziehung eines Kindes einfacher vorgestellt. Vielleicht war das auch der Grund, warum Dirk ein Einzelkind geblieben war.
    Als Thamsen mit 18 von zu Hause ausgezogen war, stand seinem Vater die Erleichterung förmlich ins Gesicht geschrieben. Endlich räumte der Störenfried das Haus und er hatte seine Ruhe.
    Thamsen drehte sich zur Seite und schloss die Augen. War es seinem Vater tatsächlich nur um sich selbst gegangen? Wie aber hielt es dann seine Mutter seit mehr als 40 Jahren mit diesem Mann aus? Sie schien nicht unglücklich und Dirk kannte sie nicht als einen Menschen, der sich alles gefallen ließ.
    Es musste einen anderen Grund für die Ablehnung seines Vaters geben.

6. Kapitel
    Marlene hatte sich an diesem Morgen früh aufgemacht, um ans Nordfriisk Instituut nach Bredstedt zu fahren. Diese wissenschaftliche Einrichtung setzte sich für die Pflege, Erhaltung und Erforschung der friesischen Sprache, Geschichte und Kultur ein. Marlene arbeitete dort bereits seit mehreren Jahren an verschiedenen Projekten. Momentan beschäftigte sie sich mit Überlieferungen von Wiedergängern: Toten, die als unerlöste Seelen keine Ruhe finden konnten und in unterschiedlichen Geisterformen umgingen.
    Für heute hatte sie ein Treffen mit einer Frau vereinbart, der man nachsagte, sie könne zu diesen Gestalten Kontakt aufnehmen. Im Prinzip glaubte Marlene nicht wirklich an solche Fähigkeiten, geschweige denn an Gespenster, dennoch war ihr etwas mulmig zumute, als sie auf das Gelände der alten Volksschule fuhr.
    Sie parkte den Wagen auf einem der Plätze für die Angestellten und griff nach ihrer Tasche auf dem Beifahrersitz, als plötzlich ihr Handy klingelte. Es war Tom.
    »Guten Morgen, meine Hübsche. Hast dich einfach weggeschlichen, ohne dich von deinem Liebsten zu verabschieden«, begrüßte er sie mit übertrieben vorwurfsvoller Stimme. Marlene musste lächeln. Tom hatte, als sie aus dem Bett geschlüpft war, tief und fest geschlafen. Wahrscheinlich wäre er nicht einmal wach geworden, wenn eine Kampfhubschrauberstaffel über das Haus hinweggedonnert wäre.
    »Ich hab nun mal keinen Job, bei dem ich bis mittags im Bett liegen kann«, verteidigte sie ihr Verschwinden.
    »Apropos Mittag«, er ging absichtlich nicht auf ihre provokative Äußerung bezüglich seiner Arbeitszeiten ein, »Haie hat angerufen. Es geht ihm wieder besser und er fragt, ob wir uns treffen wollen.«
    Marlene überschlug kurz, wie lange das Gespräch mit der Gespensterseherin dauern würde. »Aber nicht vor ein Uhr. Vorher schaffe ich das wohl nicht.«
    »Gut, dann bis später, meine fleißige Arbeitsbiene«, neckte Tom sie und legte auf.
    Sie steckte ihr Telefon zurück in die Handtasche und stieg aus. Als sie den Wagen abschloss, nahm sie im Augenwinkel eine kleine, schwarze Gestalt wahr und wurde sofort von einem beklemmenden Gefühl

Weitere Kostenlose Bücher