Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
verletzen, wenn sie den Oberkörper noch weiter nach vorne beugte.
    Doch Frau Nissen schien das gar nicht wahrzunehmen. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihr Wissen über den toten Banker mit Marlene zu teilen. »Der Arne, der hat ja wohl sämtlichen Leuten faule Aktien verkauft. Unter den Anlegern sind bestimmt einige Leute, die dem Berater am liebsten den Hals umgedreht hätten. Immerhin mussten die Leute hart für ihr Geld arbeiten. Hier der Gert zum Beispiel«, Frau Nissen deutete mit dem Kopf zum Nachbargrundstück, »jahrelang hat der sich abgeschuftet. Jeden Pfennig, der übrig war, zur Bank gebracht und jetzt?« Sie plusterte ihre Wangen auf und presste den Luftstrom geräuschvoll durch ihre leicht geöffneten Lippen. Kleine Speicheltröpfchen sprühten dabei in alle Herrgottsrichtungen und Marlene musste dem Drang widerstehen, angeekelt zur Seite zu springen. »Alles weg!«
    »Na ja«, versuchte Marlene die dramatischen Ausführungen zu relativieren, »so eine Aktienanlage ist nie ohne Risiko. Da besteht immer die Gefahr, Geld zu verlieren.«
    »Mag sein«, lenkte die dickliche Frau ein, »aber was Arne Lorenzen getrieben hat, ist glattweg Betrug gewesen. Mich hat er auch zu irgendwelchen Aktienkäufen überreden wollen. Aber ich bin ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen«, behauptete sie und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Nicht mit mir. Der wollte sich nur die Taschen voll machen. Hat man nur gucken müssen, was der ständig für teure Klamotten getragen hat. Und dann der neue Wagen. Der wird ordentlich abkassiert haben«, mutmaßte Frau Nissen. »Und die armen Leute können nun sehen, wo sie bleiben. Ist ja nichts mehr wert, ihr Geld.«
    »Aber das Problem haben doch viele.« Marlene dachte an Tom, der ständig über die Kursverluste klagte. Er investierte zwar bereits seit Jahren in Wertpapieren, aber angesteckt von der allgemeinen Euphorie hatte er ein paar hochspekulative Aktien gekauft und durch den Börsenzusammenbruch eine Menge Geld verloren.
    »Vielleicht«, gab nun ihr Gegenüber scheinbar nach und richtete sich langsam auf. Da Marlene nicht ihrer Meinung war, sah sie es ganz offensichtlich als Zeitverschwendung an, weiter über Arne Lorenzens Schandtaten zu diskutieren. Allerdings zog sie sich nicht zurück, ohne einen letzten Kommentar abzugeben. »Wenn Sie mich fragen, sind das ein paar zu viele und mich würde es nicht wundern, wenn da einer nachgeholfen hat, den Arne ins Jenseits zu befördern.«

     
    *

     
    Der Braten duftete köstlich. Er konnte das herzhafte, saftige Aroma beinahe auf der Zunge spüren, als ein greller Summton dieses grandiose Geschmackserlebnis jäh unterbrach. Er versuchte, sich mit aller Macht gegen die Störung zu wehren, konzentrierte sich voll und ganz auf die Gabel in seiner Hand, auf der eine kleine Portion dieses leckeren Mahls ihren unwiderstehlichen Duft verbreitete. Doch der penetrante Ton im Hintergrund ließ sich auf Dauer nicht ignorieren. Er öffnete die Augen und erschrak.
    Um ihn herum war es nahezu dunkel. Nur das Licht der Straßenlaterne vor seinem Schlafzimmerfenster warf ein paar schummrige Schatten an die Zimmerdecke und die Leuchtziffern auf seinem Radiowecker bestätigten sein Gefühl, mehr als nur zehn Minuten lang ausgestreckt auf dem Bett geruht zu haben. Es war zwischenzeitlich kurz nach 18 Uhr und sein Handy klingelte immer noch beharrlich auf dem niedrigen Nachtschrank.
    »Thamsen?«
    Es war Anne. Wann er sie endlich abhole.
    Knapp 20 Minuten später stand er vor der Tür seiner Eltern. Sein Hemd war zerknittert und hing hinten aus der Hose. Sein Vater bedachte ihn natürlich mit einem kritischen Blick, verkniff sich jedoch ungewohnter Weise seinen üblichen Kommentar.
    »Dirk, wollt ihr mit uns zu Abend essen?« Seine Mutter trug wie gewöhnlich ihre Kittelschürze und war bereits dabei, den Tisch zu decken.
    Er verspürte keine besondere Lust, mit seinem Vater mehr Zeit als unbedingt notwendig zu verbringen, zumal er sowieso nur wieder über die Belastung klagen würde, die Dirk ihnen mit der Betreuung der Enkelkinder zumutete, aber als er die bittenden Augen von Anne und Timo sah und an seinen eigenen Kühlschrank zu Hause dachte, der außer einer abgelaufenen Milchtüte und etwas altem Brot nichts zu bieten hatte, nickte er zustimmend.
    »Was war das denn für ein Einsatz auf Pellworm?« Wie immer war es seine Mutter, die sich nach seiner Arbeit erkundigte.
    »Ach, die Kollegen auf der Insel brauchten

Weitere Kostenlose Bücher