Todeswatt
des Fuhrunternehmers austauschen und mit Marlene wollte er über diese Dinge nicht diskutieren. Sie hatte gestern Abend ohnehin reichlich mitgenommen gewirkt und war früh zu Bett gegangen.
»Vielleicht hat Sönke den Banker umgebracht«, mutmaßte Haie. »Immerhin hatte er ein gutes Motiv.«
»Ach«, wehrte Tom ab, »nun mal nicht gleich den Teufel an die Wand! Wir wissen doch gar nicht, ob Arne Lorenzen überhaupt ermordet worden ist. Vielleicht handelt es sich auch um einen ganz profanen Selbstmord. – Außerdem hatten zig andere Anleger einen guten Grund, den Bankmitarbeiter umzubringen.«
»Aber das stützt doch diese These. Muss ja nicht unbedingt Sönke gewesen sein, der Arne ins Jenseits befördert hat.« Haie war wieder ganz in seinem Element. »Außerdem, wer geht denn bei solch einem Wetter freiwillig ins Wasser? Da gibt es nun weiß Gott bessere Alternativen, um seinem Leben ein Ende zu bereiten, als sich bei diesen Temperaturen in die Nordsee zu stürzen.«
»Mag ja sein«, lenkte Tom ein, »aber letztendlich bleiben es nur Spekulationen. Obwohl, die Sache mit den Wertpapieren ist natürlich schon eigenartig.«
Haie nickte. Die Frage war, ob Arne Lorenzen das Geld der Kunden tatsächlich angelegt hatte. Nach Sönke Matthiesens Aussage gab es noch nicht einmal Dokumente dieser dubiosen Geschäfte. Und er schätzte, dass der Spediteur nicht der einzige war, der dem Banker vertraut und sein Geld ausgehändigt hatte. »Der hat die Leute gezielt angerufen. Matthiesen hat’s dir doch erzählt.«
»Ja«, musste Tom zugeben. Die Frage war nur, wie Arne Lorenzen die Kunden ausgewählt hatte. Er selbst war nicht von ihm auf diese Anlagen angesprochen worden, obwohl Lorenzen sein Bankberater gewesen war.
»Wahrscheinlich kennst du dich zu gut aus«, urteilte Haie. Er spielte nachdenklich mit dem Teebeutel in seiner Tasse und überlegte, wen Arne Lorenzen noch über den Tisch gezogen hatte.
Nach der Scheidung war Haie zu einer anderen Bank gewechselt. Seine Beraterin hatte versucht, ihn zu überreden, Kunde zu bleiben, aber er wollte seine Konten nicht beim selben Institut führen wie seine geschiedene Frau. Trotz Bankgeheimnis war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, seine Ex könne Auskünfte über seine finanzielle Lage erhalten. Dabei unterstellte er den Beratern keine bösen Absichten. Elke und er hatten jahrelang ein Gemeinschaftskonto geführt, er hätte verstanden, wenn einer der Mitarbeiter ihr gewohnheitsmäßig seine Kontoauszüge ausgehändigt hätte.
Jetzt war er froh, diesen Schritt getan zu haben. So war er dem zwielichtigen Banker gar nicht erst auf den Leim gegangen. Denn wie viele andere hatte er überhaupt keine Ahnung vom Wertpapiergeschäft und hätte dem jungen Bankangestellten wahrscheinlich ebenfalls vertraut. Auch wenn bei ihm nichts zu holen war. Nach der Trennung hatte er sich komplett neu einrichten müssen, dafür waren beinahe seine gesamten Ersparnisse draufgegangen. Und die kleine Summe, die er sich seitdem von seinem Verdienst an der Schule, an der er seit Jahren als Hausmeister arbeitete, zurücklegte, war kaum der Rede wert.
»Ja gut, der Matthiesen hat überhaupt keine Ahnung von Wertpapiergeschäften. Dem ist es nicht einmal merkwürdig vorgekommen, dass er keine Bestätigungen über den Kauf erhalten hat. Außerdem hat der Bankberater über die finanzielle Situation Bescheid gewusst und wahrscheinlich vermutet, dass der Spediteur sich an jeden Strohhalm klammern würde.«
»Hat er ja auch«, bestätigte Haie.
Wie aber war der Banker bei den anderen Opfern vorgegangen? Kunden, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befanden, durften eher nicht von Arne Lorenzen angesprochen worden sein. Bei denen konnte man meistens sowieso nichts mehr holen. Sönke Matthiesen zählte wahrscheinlich zu den Ausnahmen.
»Na, du weißt ja, was hier in den letzten Wochen und Monaten los war. Die Leute sind ja regelrecht wild auf diese neuen Aktien gewesen.«
Tom nickte. Der Höhenflug der Börse war in aller Munde gewesen. Die Medien hatten jeden Tag von neuen Rekordgewinnen berichtet und selbstverständlich wollte jeder ein Stück vom Kuchen abhaben. Und wie in der freien Marktwirtschaft üblich, bestimmte die Nachfrage den Preis und ließ die Aktienkurse plötzlich Dimensionen annehmen, die unter normalen Umständen kaum möglich gewesen wären.
»Aber wieso ist denn das ganze Geld überhaupt weg?« Haie verstand den Mechanismus der Börse nicht und Tom musste zugeben, dass der
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