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Todeswatt

Todeswatt

Titel: Todeswatt Kostenlos Bücher Online Lesen
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dachte Thamsen. So unfreundlich, wie der ist. Er zückte seinen Polizeiausweis und hielt ihn dem Mann unter die Nase. »Ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen. Es geht um Ihren Kollegen Arne Lorenzen.« Lothar Mittner schluckte. Thamsen konnte die hüpfende Bewegung seines Adamsapfels trotz des schummrigen Lichtes deutlich erkennen. Anscheinend wusste der Vermittler, warum er gekommen war. Ohne ein Wort drehte er sich um und schlurfte zurück in die Wohnung, aus der es eigenartig roch. Eine Mischung aus kaltem Rauch, altem ranzigen Fett und etwas, das Thamsen nicht genau definieren konnte, empfing ihn, als er Lothar Mittner folgte.
    In dem schmalen Flur, von dem eine winzige Küche, ein Bad und ein weiteres Zimmer, das Wohn- und gleichzeitig Schlafzimmer war, abgingen, stapelten sich meterhoch Pappkartons. Es sah nach einem Umzug aus. Ob Ein- oder Auszug, ließ sich nicht recht bestimmen.
    Lothar Mittner ließ sich auf ein Schlafsofa fallen, auf dem noch das zerwühlte Bettzeug lag, und zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe ihn nicht umgebracht«, sagte er ohne Umschweife, nachdem er einen gierigen Zug genommen hatte, und blies den Rauch in Thamsens Richtung.
    Dirk verzog angewidert das Gesicht. Er trat ans Fenster. Die Scheiben waren von einem milchigen Schleier überzogen. Der Griff klebte. Es kostete ihn einige Kraftanstrengung, das Fenster zu öffnen. Ganz offensichtlich war dies lange nicht geschehen. Er holte tief Luft und wandte sich wieder dem Vermittler zu. »Und was glauben Sie, wer es getan hat?«
    »Ich?« Der Mann, der rauchend vor ihm saß, piekste sich mit dem Zeigefinger an die eigene Brust. »Woher soll ich das denn wissen?«
    »Weil Sie ihn gut kannten.« Thamsen trat einen Schritt auf das Sofa zu und blickte auf Lothar Mittner hinab.
    »Gut kannten ist zu viel gesagt«, antwortete dieser und erhob sich. Die niedere Sitzposition schien ihm unangenehm. Sie seien nicht mehr als Kollegen gewesen. Jeder sei mit seinem eigenen Einzugsgebiet betraut gewesen, man hatte sich lediglich auf den monatlichen Team-Meetings getroffen.
    »Und auf dem letzten haben Sie deutlich zum Ausdruck gebracht, was Sie von Ihrem Kollegen halten, hm?«
    Der private Berater blieb wider Erwarten ganz ruhig und in Thamsen reifte langsam der Eindruck, der Mann habe vielleicht tatsächlich nichts mit dem Mord zu tun. Warum auch sollte er den Banker umgebracht haben? Was hätte er davon gehabt? Gut, Neid kam als Motiv durchaus in Betracht, aber reichte das aus? Da war ihm der Spediteur bei dem gestrigen Gespräch schon weitaus verdächtiger erschienen. Außerdem war Rache nach Thamsens Meinung ein weitaus stärkerer Grund, jemanden umzubringen.
    »Ach, das war hauptsächlich wegen Boltwig«, spielte Mittner die Sticheleien herunter. Im Nachhinein habe es ihm sogar leidgetan, Arne so angegriffen zu haben. Obwohl der Kollege es durch seine überhebliche Art zum Teil provoziert habe. Wie er immer aufgetreten sei. Wie Graf Kux. Alle hätten einen gewissen Groll gegen den Liebling von Boltwig gehegt. »Aber deswegen haben wir ihn ja nicht gleich umgebracht.«
    »Und außer Neid gab es keinen Anlass zum Streit?«, hakte Thamsen nach, wenngleich er von der Unschuld Mittners so gut wie überzeugt war. Trotzdem musste er alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Vielleicht hatte es weitere Unstimmigkeiten zwischen den Konkurrenten gegeben.
    »Na ja, der Arne hat mir mal ein dickes Geschäft vor der Nase weggeschnappt.« Diese Äußerung klang so ehrlich und als er zusätzlich gestand, Arne Lorenzen damals am liebsten umgebracht zu haben, es aber nie im Leben hätte in die Tat umsetzen können, war Thamsen vollends überzeugt. Welcher Täter servierte sein Motiv schon auf einem Silbertablett? Das hatte er noch nie erlebt. Mittler hatte zwar einen gewissen Hass gegen den Toten gehegt, aber der Mörder war er in den Augen des Kommissars nicht.
    Er verabschiedete sich und bahnte sich seinen Weg durch den engen Flur hinaus. Draußen atmete er mehrmals tief durch. Die frische Luft tat gut. Der muffige Geruch der Wohnung war ihm auf den Magen geschlagen. Er beschloss darum, sich nicht gleich wieder in seinen Wagen zu setzen, sondern ein paar Schritte zu gehen.
    Die Sonne war nach wie vor nicht zu sehen und der Wind hatte aufgefrischt. Dirk knöpfte seine Jacke zu und ging die Straße bis zum Marktplatz hinunter. Vor den Linden am ›Grünen Markt‹ blieb er vor der Pumpe stehen, die durch ein gotikähnliches Brunnenhäuschen überdacht war.

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