Todeswatt
keine Blöße mehr geben. Hoffentlich war die Tagesmutter bereit, die Kinder notfalls über Nacht zu betreuen, denn er hielt es nicht für ausgeschlossen, demnächst erneut auf die Insel fahren zu müssen. Zumindest Anne wollte er in diesem Fall nicht allein zu Hause wissen.
In der Bankfiliale herrschte Hochbetrieb. Die wartenden Kunden bildeten eine lange Schlange, in die er sich einreihte, da außer dem Auszubildenden, der mit hochrotem Kopf hinter dem Schalter stand, kein anderer Bankmitarbeiter in den Geschäftsräumen zu sehen war.
Glücklicherweise öffnete sich schon bald eine der Türen im Hintergrund. »Herr Thamsen«, der Filialleiter erkannte ihn sofort und bat ihn in sein Büro. »Entschuldigen Sie bitte das Chaos in der Schalterhalle, aber Frau Neubert hat sich krankgemeldet und die Vertretung aus Niebüll ist noch nicht da. Bis dahin können wir den Kassenschalter nicht öffnen.«
Thamsen wunderte sich, warum der Leiter der Bankfiliale den Azubi unter solch kritischen Bedingungen allein walten ließ. Es war eine verantwortungsvolle Aufgabe, den Kunden die Situation zu erklären und um Verständnis zu bitten. Vom Service machten schließlich heutzutage viele Kunden die Wahl ihrer Bank abhängig. Er hätte in solch einem Fall erwartet, dass der Filialleiter sich persönlich für die Unannehmlichkeiten entschuldigte, statt sich in seinem Glasbau zu verkriechen.
»Und, hat sich im Fall meines ermordeten Mitarbeiters etwas Neues ergeben?«, fragte der Banker, nachdem sie an einem Schreibtisch Platz genommen hatten, der unter riesigen Aktenbergen kaum als solcher zu identifizieren war. Thamsen nickte und erzählte, er habe von der angeblichen Freundin Arne Lorenzens erfahren, die gestern wegen des Nachlasses in der Filiale vorgesprochen hatte.
Sein Gesprächspartner zeigte sich wenig überrascht. »Ja, Frau Lemke war gestern hier. Aber es gibt kein Testament, das uns ermächtigt, ihr irgendwelche Auskünfte zu erteilen.«
»Um die Erbangelegenheiten geht es mir nicht«, klärte Thamsen den Leiter auf. »Eventuell kommt die Dame als Zeugin in Betracht. Wissen Sie, wo wir sie finden können?«
17. Kapitel
Das Wohnhaus lag direkt am Ortseingang von Leck. Thamsen war über den sogenannten Schnapsweg direkt von Risum-Lindholm nach Leck gefahren und bog nun rechts in die Straße ein, in der laut dem Filialleiter Claudia Lemke wohnte.
Die angegebene Anschrift gehörte zu einem Hochhaus. Wobei die Bezeichnung Hochhaus eigentlich maßlos übertrieben war. Aber in der näheren Umgebung gab es wenig höhere Gebäude.
Trotz der Menge an Klingelschildern fand er relativ schnell den Namen.
Mit säuselnder Stimme meldete sich Claudia Lemke über die Gegensprechanlage. Thamsen stellte sich vor und begründete seinen Besuch mit einigen Fragen, die er ihr angesichts des Mordfalls stellen müsse. Ohne jeglichen Kommentar erklang das Summen des Türöffners. Die Wohnung befand sich im vierten Stockwerk und obwohl es einen Aufzug gab, entschied Thamsen sich dafür, die Treppe zu nehmen. In den letzten Tagen hatte er wenig Zeit gefunden, sich sportlich zu betätigen. Wenigstens diese Gelegenheit der körperlichen Ertüchtigung wollte er nutzen und erklomm aus diesem Grund Etage um Etage, bis er sein Ziel erreicht hatte.
Claudia Lemke erwartete ihn bereits an der Tür. »Warum sind Sie denn nicht mit dem Aufzug gefahren?« Sie blickte ihn aus großen braunen Augen staunend an.
Wenn ich so eine Topfigur wie sie hätte, würde ich das vermutlich auch machen, dachte er. Wahrscheinlich braucht sie noch nicht einmal etwas zu tun, um so sportlich auszusehen. Dirk Thamsen war zwar nicht dick, aber er musste regelmäßig Sport treiben, um seinen Körper in Form zu halten. Je älter er wurde, umso leichter setzte er Fett an. Schnell warf sein Bauch sich in mehrere Falten, wenn er ein paar Tage sein Sportprogramm unterbrach und sich zudem noch das eine oder andere Bier gönnte.
Er versuchte, ihre Frage auf die witzige Art zu beantworten, indem er erklärte, die Polizei müsse sich halt fit halten und grinste sie dabei an.
Die etwa 1,80 Meter große Frau war attraktiv. Lange schwarze Haare, die sich um ihr Gesicht schmiegten, reine Haut mit einem leicht gebräunten Teint und volle rote Lippen. Sie trug hochhackige Pumps, welche die langen Beine betonten. Thamsen konnte kaum seine Augen von ihr wenden, und fühlte sich zu allem Übel auch noch ertappt, als Claudia Lemke sich räusperte und ihn in ihre Wohnung bat. So etwas war
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