Todeswatt
des Mordes an ihrem Verlobten kontaktiert habe.
Thamsen rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Bis gestern wussten wir ja nichts von Ihrer Existenz.«
Auch wenn ihre Unschuld nicht eindeutig erwiesen war, Claudia Lemke war seinem Gefühl nach nicht in den Mordfall verwickelt. Und so erzählte er ihr mehr Details der Ermittlungen, als er befugt war.
»Und haben Sie die Tatwaffe schon gefunden?«
Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hat der Täter sie ins Meer geworfen.«
»Aber Sie müssen den Täter finden.« Sie rückte näher an den Schreibtisch heran. »Ich kann so nicht weiterleben, wenn Arnes Mörder frei herumläuft.« In ihren Augen schimmerte es feucht. Thamsen griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Ein warmer Schauer durchrieselte ihn.
»Oh, ich wollte nicht stören.« Rudolf Lange hatte die Tür aufgerissen, ohne anzuklopfen, und blickte leicht irritiert auf das Händchen haltende Paar.
»Ja«, stammelte Dirk Thamsen und zog ruckartig seine Hand zurück, »wir waren auch soweit fertig, nicht wahr, Frau Lemke?« Er stand auf und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. »Ich melde mich dann bei Ihnen.«
»Wer war denn das?«, fragte der Leiter der Dienststelle, nachdem Claudia Lemke den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Die Verlobte des Opfers«, antwortete Thamsen knapp. Er ärgerte sich über seinen Chef, der das vertrauliche Beisammensein gestört hatte.
»Und?« Rudolf Lange erwartete mehr Informationen, aber Thamsen hatte keine Lust, mit ihm darüber zu sprechen. Stattdessen hielt er die Liste der Geldanleger in die Höhe.
»Ich brauche auf jeden Fall Unterstützung.«
Darüber hatte sein Vorgesetzter bereits mit dem Kollegen Schulz gesprochen. Der würde Thamsen morgen helfen.
»Teilt die Liste auf. Dann geht’s doppelt so schnell.«
»Schnell?« Thamsen ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen. »Wir sind momentan nicht viel weiter als am Anfang. Jede Spur ist im Sande verlaufen. Und um ehrlich zu sein, verspreche ich mir nicht allzu viel von den Befragungen.«
»Es wäre aber gut, wenn wir bis Montag Ergebnisse vorzeigen könnten. Da kommen nämlich die Kollegen aus Flensburg.«
»Pff«, stieß Thamsen die Luft durch seine Lippen.
Kurz darauf packte er seine Sachen zusammen.
Sein Chef hatte ihm angeboten, heute rechtzeitig Feierabend zu machen und morgen früh zusammen mit dem Kollegen Schulz mit den Befragungen zu beginnen. »Vielleicht bringt’s ja doch etwas«, hatte er versucht, ihm Mut zu machen.
Thamsen vermutete hinter der wohlwollenden Geste eher einen neuen Mitarbeitermotivationsansatz, den Rudolf Lange an ihm ausprobierte. Aber wie dem auch sei. Er hatte im Moment sowieso keine Lust, sich das Gezeter der Geldanleger anzuhören – und darauf würde es unter Garantie bei den Befragungen hinauslaufen –, also machte er lieber Feierabend und widmete sich seinen Kindern. Seit Langem hatte er sich nicht mehr die Zeit genommen, um mit ihnen gemeinsam zu kochen und anschließend vor dem Schlafengehen noch etwas zu spielen. Anne quengelte bereits seit mehreren Abenden, aber er hatte einfach nicht den Kopf dafür gehabt. Doch heute wollte er ein paar schöne Stunden mit den beiden verbringen. Höchstwahrscheinlich konnte er wegen des Falls in den Osterferien nichts mit seinen Kindern unternehmen, denn wie es aussah, würde die Aufklärung des Mordes an Arne Lorenzen noch dauern. Da wollte er zumindest die wenige Zeit, die ihm neben seinem Job blieb, mit ihnen teilen. Schließlich wollte er nicht wie sein Vater werden, der sich um seinen Sohn nie gekümmert hatte. Und das bezog sich nicht nur auf seine Kindheit. Auch bisher hatte sich der Vater nicht gemeldet, obwohl es Thamsens Meinung nach eigentlich an ihm lag, den Streit aus der Welt zu schaffen. Er würde jedenfalls nicht klein beigeben; bei seiner Mutter hatte er sich ja bereits entschuldigt. Diesmal war sein Vater an der Reihe.
Zum Glück hatte sich die Tagesmutter einverstanden erklärt, die Betreuungszeiten auszuweiten. Er war gerade im Begriff, seine Jacke zu nehmen, die er über den Stuhl gehängt hatte, als es an der Tür klopfte. »Herein«, rief er schroff, verärgert über die Störung, die eigentlich nur eine Verzögerung seines Feierabends bedeuten konnte.
Es waren Tom, Haie und Marlene, die auf seine unfreundliche Einladung hin den Raum betraten.
»Wir müssen dringend mit Ihnen sprechen«, platzte Haie heraus. Er spürte zwar, wie ungelegen sie kamen,
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